Mit Bildung extreme Taten verhindern

In dieser Woche habe ich drei Talkshows im Fernsehen gesehen. Am Dienstag ging es bei Markus Lanz u.a. um die Bildung und den Lehrermangel an Grundschulen. Am gestrigen Donnerstag sprachen die Gäste sowohl bei Maybrit Illner als auch bei Lanz über den Anschlag in Halle, der sich am Vortag ereignet hatte. Auf den ersten Blick waren es sehr unterschiedliche Themen, doch bei genauerem Hinsehen sollte man genau zwischen diesen Themen Verbindungen herstellen. Denn extreme Taten lassen sich am besten verhindern, wenn wir jungen Menschen früh und umfassend Bildung und eine positive Sicht auf andere Menschen vermitteln.

Auch in einer digitalisierten Welt gibt es viele unterschiedliche Menschen. Das müssen wir mit umfassender Bildung vermitteln.

Nach dem schweren Verbrechen in Sachsen-Anhalt gab es letztlich wieder die üblichen Reflexe, die wir von ähnlichen Taten in den vergangenen Jahren kennen: Betroffenheit, Solidaritätsbekundungen, Analysen zum Täter, Forderungen nach besserer Überwachung, Klagen über fehlendes Personal, Kritik an radikalen Parteien usw. Die Tat wird minutengenau zusammengefasst, aber der Kern des Problems wird gar nicht oder nur knapp angesprochen. Umfassende Bildung und gute Erziehung sind die Grundlagen für ein friedliches, verständnisvolles Zusammenleben.

Frühe Erfahrungen in Kita und Grundschule

Man kann gar nicht oft genug betonen, dass Kinder unschuldig zur Welt kommen. Sie erkunden diese Welt neugierig und mit offenen Augen, gehen interessiert auf andere Menschen zu. Kleine Kinder können sich streiten und ein paar Minuten später wieder zusammen spielen. Die Voraussetzungen sind also ideal. Doch sie müssen auch erhalten bleiben, wenn die Kinder aufwachsen und mit der Gesellschaft konfrontiert werden. Leider gestaltet sich dieser Schritt aber heutzutage oft schwierig.

Es gibt viele gute Erzieher(innen) und Grundschullehrer(innen), die hervorragende und wertvolle Arbeit im Umgang mit den Kindern leisten. Personalmangel, ein schlechter Betreuungsschlüssel und völlig unzureichende Bezahlung erschweren ihnen allerdings die Arbeit. Dabei ist gerade diese Zeit in der Kita und Grundschule besonders wichtig, wie auch in der Talkshow am Dienstag betont wurde. Denn im Gegensatz zum später aufgeteilten Bildungsweg kommen hier ganz junge Menschen unabhängig von ihrer sozialen Herkunft zusammen. In dieser Zeit lernen sie, dass es viele verschiedene Menschen gibt und dass es trotzdem einfach nur Menschen sind, egal welches Einkommen die Eltern haben, egal welche Hautfarbe, Religion oder welchen Migrationshintergrund sie haben. Diese Erfahrungen sind äußerst wichtig für den späteren Lebensweg.

Fortführung der Bildung

Die positiven Eindrücke müssen natürlich anschließend fortgesetzt und verfestigt werden. In der weiterführenden Schule lernen wir viele interessante Dinge über literarische Werke, Grammatik, mathematische Formeln, naturwissenschaftliche Erkenntnisse, unsere Geschichte sowie politische, soziale und wirtschaftliche Grundlagen. Es reicht jedoch nicht, Daten und Fakten aufzuzählen. Wie ich zuletzt in ganz anderem Zusammenhang schon geschrieben habe, müssen wir Zusammenhänge erkennen können. Wir müssen stets neugierig bleiben und uns für möglichst viele Menschen und Dinge interessieren. Das dürfen wir weder in der frühen Kindheit noch in der Schule oder beim lebenslangen Lernen vergessen. Damit verhindern wir einseitiges Denken, das zu Vorurteilen und letztlich Gewalt führt.

Mit Kompetenz und Interesse gegen Extremismus

  • Wer von Kindheit an regelmäßig mit vielen unterschiedlichen Menschen in Kontakt ist, lernt schnell, wie vielfältig und interessant die Gesellschaft ist. Das gilt nicht nur für Begegnungen in Kita und Schule, sondern auch für Vereine und den Alltag.
  • Wer sich für andere Länder, Kulturen, Religionen, Weltanschauungen etc. interessiert, ist weniger anfällig für Vorurteile. Diese interkulturelle Kompetenz verhindert, dass man bestimmte Gruppen als minderwertig betrachtet.
  • Wer aus der Geschichte lernt, kann dazu beitragen, dass sich Verbrechen aus der Vergangenheit nicht in ähnlicher Form wiederholen. Wenn Jugendliche beispielsweise angeben, wenig über den Holocaust zu wissen, ist ganz viel schiefgelaufen. Wir müssen immer wieder angepasste Wege finden, um solches Wissen intensiv zu vermitteln. Nicht nur über das große Verbrechen gegen die Menschlichkeit, sondern vor allem auch über dessen Vorgeschichte und Ursachen.
  • Wer die politische Bildung – in der Schule ebenso wie in gesellschaftlichen Initiativen – unterstützt, fördert die Demokratie. Nur wenn man die politischen Regeln kennt und verinnerlicht, kann man sie auch umsetzen. Unser Grundgesetz und ähnliche Gesetze in anderen Rechtsstaaten sind dabei eine gute Grundlage.
  • Wer sich mit der Sprache auseinandersetzt, kann sie vernünftig einsetzen. Denn Sprache ist viel mehr als lästige Grammatik, mehr als ein Hilfsmittel für Schriftsteller. Wie wir sprechen und wie vielfältig unsere Ausdrucksmöglichkeiten sind, beeinflusst unser Weltbild. Negative Sprache führt schnell zu negativen Handlungen. Gestern wurde dazu im Fernsehen eine Aussage zitiert, die wohl fälschlicherweise dem Talmud zugeschrieben wird, aber dennoch gut passt:

„Achte auf deine Gedanken, denn sie werden Worte. Achte auf deine Worte, denn sie werden Handlungen. Achte auf deine Handlungen, denn sie werden Gewohnheiten. Achte auf deine Gewohnheiten, denn sie werden dein Charakter. Achte auf deinen Charakter, denn er wird dein Schicksal.“

Bildung auch für die digitalisierte Welt

Die Bildung muss immer wieder an neue Erkenntnisse und Technologien angepasst werden. Das gilt besonders für die digitalisierte Welt, in der wir heute leben. Zu den beliebten Reaktionen auf extreme Verbrechen der Gegenwart gehört, strengere Regulierungen für Social-Media-Plattformen wie Facebook und Twitter zu fordern. Diese Forderung ist erstens schwierig durchzusetzen und zweitens unzureichend.

Wir brauchen vor allem viel mehr digitale Kompetenz. Die Nutzer solcher Plattformen müssen zumindest in Grundzügen verstehen, wie die dahinter steckenden Algorithmen funktionieren. Bestimmte Beiträge werden schließlich nicht zufällig ganz oben angezeigt. Die Algorithmen bevorzugen negative oder umstrittene Themen, weil diese mehr Aufmerksamkeit erzeugen, was wiederum die wichtigste Voraussetzung für den Verkauf von Werbung ist. Außerdem verbreiten sich solche Beiträge durch Teilen und wiederholte Uploads auf verschiedenen Plattformen viel schneller, als dies früher mit analogen Medien möglich war.

Ein immer größeres Problem in der Welt von Facebook und Co. sind außerdem Verschwörungstheorien und Fälschungen. Lügen und Betrug sind zwar so alt wie die Menschheit, doch mit digitaler Technik lassen sie sich besonders hinterlistig verbreiten. Durch Kommentare und gegenseitige Unterstützung bilden die Verschwörungstheoretiker und Hetzer ihre Filterblasen, die umso schwieriger zu öffnen sind, je länger sie bestehen. Deshalb müssen wir aufklärende Arbeit, wie sie beispielsweise das sehr engagierte Team von Mimikama vorbildlich leistet, besonders fördern. Wir brauchen Aufklärung und Kompetenz, um Fakten und Fiktion zu unterscheiden.

Bildung ist für alle Menschen in jedem Alter wichtig, um ein gutes und friedliches Zusammenleben zu ermöglichen.