Anne Frank und der Zugang zum Holocaust

Am heutigen 12. Juni wäre Anne Frank 90 Jahre alt geworden. Doch das jüdische Mädchen starb bereits im Alter von 15 Jahren. Die Autorin des wohl berühmtesten Tagebuchs der Welt fiel dem Holocaust, der Vernichtung der Juden und anderer ausgegrenzter Menschen durch die Nationalsozialisten, zum Opfer. Ich möchte hier nun nicht Anne Franks Lebens- und Leidensgeschichte nacherzählen, sondern mich der Frage widmen, wie wir und vor allem die heutige junge Generation einen Zugang zu diesem wichtigen Thema der deutschen Geschichte finden.

Die Geschichte der jüdischen Tagebuch-Autorin Anne Frank bietet einen guten Zugang zum Thema Holocaust, auch für junge Menschen.

Zuletzt ergaben mehrere Studien und Umfragen, dass viele der heutigen Jugendlichen erschreckend wenig über den Holocaust wissen und beispielsweise dem Namen Auschwitz keine Geschichte zuordnen können. Dabei darf dieses Wissen auch und gerade in einer Zeit, in der allmählich die letzten Überlebenden des Zweiten Weltkriegs sterben und zugleich extremistische Ansichten beliebter werden, keinesfalls verloren gehen. Wir müssen also immer wieder an das grausame Geschehen von damals erinnern.

Das Tagebuch einer Jugendlichen

Dabei kann Anne Franks Tagebuch helfen. Anne schildert schließlich sehr anschaulich und in einer leicht verständlichen Sprache, was sie erlebt hat – beginnend an ihrem 13. Geburtstag, an dem sie das Tagebuch erhielt, über die zunehmende Diskriminierung der Juden, bis zum Leben im Hinterhaus, bei dem sie nach einiger Zeit den Plan fasste, ihr Tagebuch zu veröffentlichen, was ihr Vater Otto Frank nach ihrem Tod umsetzte. Wertvoll ist das Tagebuch, das ich selbst mehrmals gelesen habe, weniger wegen der historischen Ereignisse, sondern weil wir hier ein Mädchen mit all seinen Gedanken, Eindrücken, Sorgen und Hoffnungen sehen. Anne Frank erlebte die so wichtige Zeit als Teenager im sehr eingeschränkten Umfeld des Amsterdamer Hinterhauses, was alles viel intensiver machte. Wenn heutige Jugendliche das lesen, können sie sich mit einem Teenager in ihrem Alter identifizieren und zugleich darüber nachdenken, wie sie damals gehandelt und gefühlt hätten.

Filme über den Holocaust

Anne Franks Geschichte wurde außerdem mehrmals verfilmt und die Filme ergänzen das schriftliche Tagebuch um eindrucksvolle bewegte Bilder. Ich kann hier vor allem das neuste Werk empfehlen. Hans Steinbichlers Film Das Tagebuch der Anne Frank mit einer hervorragenden Lea van Acken in der Hauptrolle konzentriert sich ganz darauf, das Mädchen mit diesen persönlichen Empfindungen zu zeigen, die ich gerade erwähnt habe. Schon etwas älter, aber ebenfalls sehr interessant ist der Film Anne Frank aus dem Jahr 2001. Er widmet sich einer kompletten Darstellung ihres Lebens, denn er basiert auf der sehr gut recherchierten und lesenswerten Anne-Frank-Biografie der Autorin Melissa Müller. Natürlich gibt es noch viele weitere Spielfilme und Dokumentationen rund um das Thema Holocaust. Da ich an dieser Stelle nicht auf mehrere Filme, die ich gesehen habe, einzeln eingehen will, verweise ich auf die Wikipedia-Liste.

Augmented Reality mit Zeitzeugen

Eine ganz moderne Form der historischen Wissensvermittlung zu diesem Thema habe ich vor kurzem entdeckt. Die App WDR AR 1933 – 1945 lässt nicht nur Zeitzeugen zu Wort kommen. Sie bringt sie mit der Technik der Augmented Reality virtuell sogar direkt ins Zimmer des Betrachters. Es sieht so aus, als säße einem der erzählende Mensch direkt gegenüber und rundherum sieht man außerdem Bilder von Bombenangriffen oder einem überfüllten Bunker. Drei Geschichten von damaligen Kriegskinder sind bisher vorhanden und Anne Franks Freunde sollen in einem weiteren Teil zu Wort kommen, der aber bis zum heutigen Gedenktag leider noch nicht veröffentlicht wurde.

Eindrücke in Gedenkstätten und Geschichte vor Ort

Die Kleine Festung, damals ein Teil des KZ Theresienstadt.
Foto aus Wikimedia Commons: Guido Radig, Terezin (Czech Republic) – Theresienstadt concentration camp, CC BY 3.0

Noch besser ist natürlich das reale Gespräch mit einem Zeitzeugen oder der Besuch einer Gedenkstätte. Ich war selbst noch nicht im Anne-Frank-Haus in Amsterdam, aber immerhin in der Berliner Ausstellung. Besonders gut erinnere ich mich auch noch an ein Erlebnis im Jahr 1998. Damals besuchte ich im Rahmen einer Klassenfahrt die sogenannte Kleine Festung, die von den Nazis als KZ Theresienstadt genutzt wurde. Es ist vielleicht nicht ganz so intensiv wie das Vernichtungslager Auschwitz-Birkenau, das ich persönlich nur aus Fotos und Filmen kenne. Doch wenn man sich schon in einem kleineren Lager wie Theresienstadt allein mal in die Türöffnung stellt und in eine dunkle Zelle blickt, fließen die Gedanken an das damalige Leid der misshandelten und ermordeten Menschen automatisch durch den Kopf.

Außerdem kann man sich mit der Geschichte in der eigenen Umgebung beschäftigen. Meine Heimatstadt Düren war beispielsweise durch ihre Lage an der Westfront hart vom Zweiten Weltkrieg betroffen. Auch in anderen Städten findet man Spuren.

Wenn man sich nicht nur trockenes Schulwissen über den Holocaust und generell die Zeit des Nationalsozialismus aneignet, sondern Verbindungen findet, die das damalige Geschehen anschaulich erlebbar machen, kann man nicht vergessen, was geschehen ist. Es ist zugleich die beste Versicherung gegen Antisemitismus und jegliche Form von Rassismus und Extremismus. Es ist die beste Voraussetzung für „Nie wieder“.