Zuhause – Wie Corona uns und die Welt veränderte

Eine Kurzgeschichte aus dem Frühling 2021 als zukünftiger Rückblick auf die Krise 2020


„Es ist schon unglaublich, wie sehr sich unsere Welt innerhalb eines Jahres geändert hat“, sagt Ben. Gerade hat er sich ein Steak vom Grill genommen. Mit seiner Frau Emma sitzt er am Samstagabend im Garten, während die kleine Tochter Hannah auf der Wiese spielt. Die junge Familie hat den sonnigen Tag im Frühling 2021 genossen, war zusammen im Wald und mit Freunden auf dem Spielplatz. Sie ist froh, ihr neues Leben genießen zu können. Vor nicht allzu langer Zeit sah es nämlich noch ganz anders aus in Deutschland.

Emma hat diese andere Welt noch im Gedächtnis: „Ja, damals, Anfang 2020, haben wir noch über ganz andere Sachen diskutiert. Weißt du noch, wie uns wenige Tage vor Karneval dieser neue Terroranschlag erschüttert hat? Da gab es in den Wochen zuvor mehrere Fälle, das war schon heftig.“ Die Bilder aus Hanau und Halle gehen ihr nochmal durch den Kopf. „Wir haben ja zu der Zeit auch noch über viel unwichtigere Fragen diskutiert. Wer Kanzlerkandidat der CDU wird, und sowas. Mit Corona waren diese Themen dann plötzlich raus aus den Medien.“

Da ist das Stichwort, spätestens ab März 2020 das Leben aller Menschen in Deutschland und Europa bestimmte. Zum Jahreswechsel war ein unbekanntes Virus in China ausgebrochen. Auch Emma und Ben sahen damals die Bilder aus der Großstadt Wuhan mit den leeren Straßen. Videos von einem Krankenhaus, das ruckzuck errichtet wurde, verbreiteten sich im Internet. Wie fast alle Deutschen nahm das junge Paar das Thema zunächst nur nebensächlich wahr. Es gab ein paar Berichte in den TV-Nachrichten und online, aber es war halt nur in China. „Für uns war Corona damals nur ein Bier, das kaum jemand getrunken hat“, denkt Ben und nimmt einen Schluck aus seiner Pils-Flasche.

Das neuartige Coronavirus blieb noch einige Zeit lang nicht besonders wichtig. Als eine chinesische Mitarbeiterin einer bayrischen Firma das Virus nach Deutschland brachte, war es erst mal ein Einzelfall. Der Rest der Republik sah darin keine große Bedrohung. Emma erinnert sich: „Corona galt Anfang des Jahres ja noch als harmlos. Das war halt ne weitere Grippe, dachten wir uns. Da mussten wir erstmals lernen, dass es viel komplizierter war. Allein schon wegen des fehlenden Impfstoffs.“ – „Ich weiß noch, wie wir uns damals über die Panikmache lustig gemacht haben“, stimmt Ben zu. „Mit meinen Kollegen im Büro habe ich noch darüber gelacht, dass man aus Corona einen neuen Apokalypse-Film machen könnte. Corona-Zombies und so.“

Doch die Situation wurde auch in Deutschland schnell zu einer ernsten Angelegenheit mit weitreichenden Folgen. Nach dem Fall in Bayern gab es eine Karnevalssitzung im Kreis Heinsberg. Den Namen des Kreises kannte innerhalb von wenigen Tagen jeder in Deutschland, der Landrat wurde zum vielgefragten Mann. Ein Fall in einem Hamburger Krankenhaus stand exemplarisch für die Verbreitung im Norden. Hinzu kamen immer dramatischere Nachrichten aus Italien. Covid-19 – so hieß die von dem Virus ausgelöste Krankheit – entwickelte sich zur Pandemie.

Richtig schwierig wurde die Situation dann ab Mitte März. Emmas Gedanken schwenken gerade zu dieser Zeit, in der sie Wörter wie Kontaktsperre lernte und Virologen regelmäßig als Talkshow-Gäste sah. Plötzlich klingelt ihr Handy. „Hi, Sophia, schön von dir zu hören. Ich sitze mit Ben im Garten. Wir reden gerade über das, was seit letztem Jahr passiert ist. Willst du nicht mit Jonas auf ein Bier rüberkommen?“ Sophia lässt sich das nicht zweimal sagen und steht wenig später mit ihrem Lebensgefährten im Garten. „Setzt euch. Ich bringe nur kurz Hannah ins Bett.“

Als Emma mit ihrer Tochter ins Haus geht, knüpft Ben im Gespräch mit den Gästen an die Gedanken über die Zeit im Frühjahr 2020 an: „Das war schon heftig mit den ganzen Maßnahmen damals, oder? Das hätte sich doch zwei Wochen vorher keiner vorstellen können, dass mal eben ein ganzes Land lahmgelegt wird.“ – „Ja, das war wie ein Schock. Innerhalb von ein paar Tagen waren alle Veranstaltungen weg“, sagt Jonas, der damals bei einem Konzertveranstalter arbeitete, „bei einer Location nach der anderen wurden die Konzerte abgesagt und dann kam das allgemeine Veranstaltungsverbot, erst die Großveranstaltungen, anschließend auch kleinere.“

Seine Frau nickt zustimmend: „Du warst ja doppelt getroffen mit den Veranstaltungen. Beim Sport lief ja auch nichts mehr.“ Als Volleyball-Fan musste Jonas neben dem beruflichen Rückschlag ein vorzeitiges Saisonende verkraften. „Das hat mir weh getan“, gibt er zu, „doch Sport war damals vorübergehend nicht mehr so wichtig. Zum Glück konnten wir deinen Laden retten.“

Bei den Gedanken an das vergangene Frühjahr blickt er Sophia erleichtert an. „Ja, Gott sei Dank. Dieses Hilfsprogramm, das die Politiker damals so schnell beschlossen haben, hat mein Geschäft gerettet.“ – „Es wäre wirklich schlimm gewesen, wenn das nicht geklappt hätte“, meldet sich Emma zu Wort, die gerade in den Garten zurückkommt. „Sophia Style ist einfach das beste Modegeschäft in der Innenstadt.“ Ein Lächeln ziert das Gesicht der angesprochenen Geschäftsinhaberin. „Danke, meine Liebe. Du hattest es mit der Schule ja auch nicht leicht.“

Emma arbeitet als Lehrerin für Englisch und Geschichte am städtischen Gymnasium. Sie musste schnell und flexibel reagieren, als die Schulen schon drei Wochen vor den Osterferien geschlossen wurden. „Wir mussten den Schülern erstmal klarmachen, dass die Schulschließungen keine zusätzlichen Ferien bedeuteten, sondern dass sie zuhause weiter lernen mussten“, erzählt sie, während die Sonne sich allmählich dem Horizont nähert. „Einige Jugendliche haben das ja mit ihren Corona-Partys erst nicht kapiert“, wirft Jonas ein. „Stimmt, Jonas, aber das hat sich zum Glück schnell erledigt. Schwieriger war es, den Kindern ihre Aufgaben für zuhause vernünftig zu übermitteln. Die digitale Ausstattung in den Schulen war damals ja noch ziemlich schlecht.“ – „Ja, da hab ich auch von Bekannten einiges gehört“, stimmt Sophia zu. „Zum Glück ist das durch die Krise besser geworden. Da haben die Leute einiges gelernt. Für Leon ist das ein Glücksfall.“ Die Mutter freut sich über viele Verbesserungen, die ihrem Sohn in der Grundschule zugutekommen.

„Ihr musstet euch letztes Jahr auch viel intensiver mit Hannah beschäftigen“, fügt sie mit Blick auf Emma und Ben hinzu. „Wir durften“, stellt Emma klar. „Logisch, das war nicht einfach, als die Kleine nicht in den Kindergarten gehen konnte. Wir waren ja beide im Home Office. Aber wir sind als Familie trotz der ganzen Anstrengungen noch enger zusammengewachsen.“ – „Da hast du recht“, bestätigt Ben, der einige Wochen lang statt im Büro zuhause am Laptop arbeitete.

„Wenn man so auf unsere ganze Erlebnisse und neuen Erfahrungen zurückblickt, muss man sagen, dass sich durch diese schwierige Zeit viel zum Positiven geändert hat“, fasst Jonas zusammen. „Prost!“ Die anderen am Tisch nicken zustimmend. „Da ist echt eine Menge passiert“, meint Sophia. „Darüber könnten wir wahrscheinlich stundenlang reden. Wenn ich allein daran denke, was sich bei meinem Geschäft durch Corona alles getan hat.“ Emma lächelt: „Mal eben von normalen Klamotten auf Mundschutz umzustellen, war eine clevere Idee, Sophia.“ – „Ach, das war nur eine kurzfristige Nothilfe. Die Medien waren ja damals voll mit Berichten über fehlende Masken; da wollte ich meine Erfahrung als Schneiderin einfach sinnvoll einsetzen. Viel wichtiger waren aber die anderen Maßnahmen, vor allem die Gutscheine.“ – „Da hat dir dieses City-Portal gut geholfen“, bemerkt Ben. „Richtig, das war eine große Hilfe. Durch die Online-Werbung habe ich nicht nur meine Stammkunden gehalten, sondern sogar viele neue Leute in den Laden bekommen. Ich fand es außerdem toll, den Zusammenhalt bei den anderen Geschäftsleuten in der Innenstadt zu spüren, die hatten ja auch gute neue Ideen. Drive-in kannte ich vorher nur bei McDonald’s.“

Die anderen stimmen in das befreite Lachen ein. Für Ben waren die neuen Möglichkeiten, an das Essen der Restaurants zu kommen, auch ein Vorteil: „So mussten wir nicht jeden Tag im Home Office selbst kochen. Schön ausgehen im Restaurant war nicht drin, aber so ein leckeres Essen vom Griechen für zuhause ist trotzdem was Schönes.“ – „Home Office ist ein gutes Stichwort“, sagt Jonas. „Wer hätte Anfang letzten Jahres gedacht, dass wir plötzlich alle von zuhause arbeiten? Vor Corona galt Deutschland doch eher als Entwicklungsland bei der Digitalisierung. Und ihr beide hattet ja sogar das doppelte Home Office.“ Er blickt zu Emma und Ben.

Letzterer hat die Umstellung noch vor Augen: „Zum Glück sind wir mit Computer und Laptop gut ausgestattet. Da konnten wir uns die Arbeit gut aufteilen. Es ist schon anders, plötzlich mit Videokonferenz und all den anderen Tools zu arbeiten. Aber digitale Dokumente in der Cloud auszutauschen, war trotzdem interessant. Meine Kollegen und ich fanden das so hilfreich, dass wir das bei manchen Sachen heute noch nutzen.“ – „Dann brauchst du ja kein Büro mehr“, bemerkt Sophia mit einem Augenzwinkern. „Doch, das ganze Digitale ist zwar eine Erleichterung, aber ich bin froh, dass ich meine Kollegen jetzt wieder regelmäßig sehe und richtig mit ihnen reden hatten. Für die Kaffeepause oder Kantine gibt es keinen digitalen Ersatz. Wir brauchen einfach andere Menschen, das kennst du doch aus deinem Job“, sagt Ben in Richtung der Modeverkäuferin.

„Emma, für dich war es ja noch komplizierter. Schulen zu, als Lehrerin zuhause, den Mann auch im Home Office und dann noch um die Tochter kümmern.“ Mit dieser Zusammenfassung lenkt Sophia den Blick auf die junge Lehrerin. „Was Hannah betrifft, hat mir Ben gut geholfen“, erwidert diese. Durch die wegfallenden Fahrzeiten mit Verkehr in der Innenstadt hatten wir ja schon mehr Zeit für die Familie, das war schön und daraus haben wir gelernt. Meine Schüler haben zum Glück auch mitgezogen. Bei dem einen oder anderen mit schwierigen Familienverhältnissen hat es vielleicht etwas gedauert. Insgesamt bin ich aber sehr zufrieden mit den Jungs und Mädels. Mit Computer und Smartphone können die ja alle umgehen, oft besser als wir Lehrer. Wenn man es dann schafft, diese Fähigkeit auf die Unterrichtsinhalte zu übertragen, läuft das. Vor allem die etwas älteren Schüler haben sogar noch zusätzlich was getan mit Lernapps und Dokumentationen im Fernsehen. Das macht mich stolz.“ – „Und ich bin stolz auf dich“, ergänzt Ben und küsst seine Frau.

„Die größten Veränderungen gab es aber wohl bei dir, Jonas“, fügt er hinzu. Der ehemalige Konzertveranstalter atmet einmal tief durch. Das Virus hat sein Leben tatsächlich gravierend verändert. „Erzähl noch mal genau. Wie bist du zu dieser neuen Werbeplattform gekommen?“ fragt Emma ihn. „Die Zeit war wohl einfach reif dafür. Bei mir kam ja letztes Jahr alles auf einmal. Alle Veranstaltungen abgesagt, auch die Volleyball-Saison war plötzlich vorbei. Das hat mich zum Nachdenken gebracht. Die finanziellen Hilfen der Regierung waren gut, aber das hat mir nicht gereicht. Ich wollte was Neues machen und wir haben ja gerade schon darüber gesprochen, dass das Internet und die Digitalisierung seit Corona noch wichtiger geworden sind. Das hab ich dann eben kombiniert.“

Jonas betreibt nun eine Online-Plattform für alle Veranstaltungen in der Region von Konzerten über Theater bis Sport. Künstleragenturen, Sportvereine und andere Anbieter können ihre Veranstaltungen mit Texten, Bildern, Videos und News bewerben, ein zentraler Online-Ticketverkauf ist ebenso dabei. „Ich denke, diese Zusammenarbeit und das gemeinsame Auftreten in der Region sind eindeutig positive Folgen von Corona“, sagt er schließlich und erhält Zustimmung aus der Gruppe.

Alle vier spüren nicht nur die beruflichen Fortschritte, sondern auch die Auswirkungen auf die Gesellschaft und das allgemeine Verhalten der Menschen. „Ich finde es toll, wie die Politik und die Bevölkerung in der Krise zusammengearbeitet haben“, lobt Emma. „Da zwingen uns die Politiker zuhause zu bleiben, wir dürfen kaum noch andere Menschen treffen, die meisten Geschäfte, Friseure usw. sind zu. Trotzdem haben sich fast alle an die Regeln gehalten und es gab kein Gemecker mehr über die da oben. Die ganze Hetze von der AfD und so hat keine Rolle mehr gespielt.“ – „Ich denke, das Volk zieht gerne mit, wenn die Entscheidungen sinnvoll erscheinen und vor allem vernünftig erklärt werden“, meint Jonas. „Das kennst du ja als Lehrerin, immer alles anschaulich und geduldig erklären. Bei Corona hat das nach ein bisschen Anlaufzeit gut funktioniert. Da haben alle kapiert, dass wir nur mit strengen Maßnahmen das Virus stoppen konnten.“

Seine Frau betont noch einen anderen Aspekt in der politischen Diskussion: „Wichtig war wohl auch, dass plötzlich die ganzen benachteiligten Berufe sichtbar wurden. Vor Corona hatten wir vielleicht mal vereinzelt darüber geredet, dass Krankenpfleger überlastet sind. Dann kam aber alles zusammen. Die Mängel im Gesundheitssystem, die Arbeit der Leute im Supermarkt, die nicht nur Klopapier einräumen, die Erntehelfer, die Leute bei den Tafeln, die Taxifahrer undundund. Da haben wir nun täglich in den Medien gesehen, wie wichtig die sind.“ – „Ja, jetzt sprechen wir endlich darüber, dass solche Leute bessere Einkommen und Arbeitsbedingungen bekommen“, freut sich Jonas. „Nur von Applaus und Anerkennung kann man nicht leben, noch nicht mal die Künstler und Sportler, mit denen ich zu tun habe.“

„Und die Leute haben neuen Respekt vor älteren und kranken Menschen gelernt. Wir haben jetzt beide Seiten erlebt. Die Älteren haben vorher gelernt, dass sie der Generation Fridays for Future eine gute Welt hinterlassen müssen, und die Jüngeren schützen dafür die älteren Menschen“, fügt Emma hinzu. „Schöner Vergleich! Gut, dass deine Mutter die schwierige Zeit überstanden hat“, sagt Sophia zu ihr. „Ja, das war auch für Hannah schwierig“, antwortet Emma. „Sie durfte ja wochenlang Oma Gerda nicht im Altenheim besuchen. Zum Glück hatten wir genug Abwechslung für die Kleine.“ – „Das war bei Leon und Opa Paul ähnlich. Aber der Junge musste ja auch ein paar Aufgaben für die Schule erledigen.“ – „Ja, bei kleinen Kindern muss man schon aufpassen, dass die sich austoben können.“

Ben mischt sich in den Erfahrungsaustausch der beiden Frauen ein: „Wir haben alle gesehen, dass man auch zuhause viel machen kann, nicht nur Home Office. Man muss halt nur positiv denken und kreativ sein. Erst recht, wenn es keine Veranstaltungen gibt und das Fernsehprogramm mit den Sondersendungen und den Shows ohne Publikum irgendwann langweilig wird.“ – „Unsere Wohnung ist viel ordentlicher und sauberer geworden“, sagt Emma lachend. „Und wir sind alle richtig fit geworden durch die ganzen Videos mit Fitnessübungen und Home Workout“, fügt Sportfan Jonas hinzu. Als die Sonne gerade untergeht und Sophia und Jonas sich auf den Heimweg machen wollen, fasst Emma die Situation mit einer sprachlichen Erkenntnis zusammen: „Ja, Zuhause wurde zurecht zum Wort des Jahres 2020 gewählt. Das waren ganz besondere Erfahrungen, von denen wir alle in Zukunft profitieren werden.


Die namentlich genannten Protagonisten dieser Geschichte sowie ihre beruflichen und privaten Tätigkeiten sind fiktiv. Ähnlichkeiten mit realen persönlichen Erfahrungen sind nicht auszuschließen.