Digitalisierung in der Schule lernen

Wenn im Zusammenhang mit dem großen Thema Digitalisierung über die Schulen gesprochen wird, geht es meistens um die technische Ausstattung. Doch wir brauchen mindestens genauso dringend passende Unterrichtsinhalte. Am besten wäre dazu ein eigenes Schulfach, wie auch immer man es nennt.

Schüler müssen bei der modernen Technik den Durchblick haben.

Mehr als verstaubte Computerräume

Schon zu meiner Schulzeit gab es am Gymnasium einen Computerraum, in dem ein paar alte PCs standen, die aber kaum benutzt wurden. Als ich 1999 Abiturient wurde, lernte die heute so selbstverständliche Online-Welt auch gerade erst laufen. Heute sind Internet, Smartphones, Social Media und vieles mehr ein fester Bestandteil unseres Lebens. Vor allem die ältere Generation hat Angst, dass die jungen Menschen zu viel am Computer und Handy hängen. Entscheidend ist jedoch, wie wir die moderne Technik nutzen und ob wir etwas Sinnvolles damit tun.

Verstehen wir die digitalisierte Welt überhaupt? Mit dieser Frage müssen wir schon in der Schule beginnen. Die meisten Kinder und Jugendlichen können heute ein Smartphone mit Apps bedienen, etwas bei Facebook posten, neue Fotos bei Instagram hochladen, mit Whatsapp chatten usw. Manch einer kann vielleicht auch eine einfache Website oder ein Blog erstellen. Doch die Folgen und Herausforderungen der Digitalisierung gehen weit darüber hinaus.

Deshalb wäre ein eigenes Schulfach dazu sinnvoll, wie es auch schon der ein oder andere Lehrer fordert. Man muss dazu nicht den etwas verstaubten Begriff Informatik benutzen, der manche Menschen vielleicht an die o.g. Computerräume oder Klischees über Hacker erinnert. Aber wir brauchen eine moderne Aufklärung.

Mit Social Media und Google lernen

Allein die Social-Media-Plattformen bieten schon eine Menge Gesprächsstoff für den Digitalisierungsunterricht. Wenn man verstehen will, warum Facebook bestimmte Beiträge bevorzugt anzeigt, muss man etwas über Algorithmen wissen. Wer kann meine Beiträge überhaupt sehen und was kann passieren, wenn sie geteilt werden? Wie erkenne ich Fake News und wie gehe ich mit (negativen) Kommentaren um? Da gibt es über die technischen Aspekte hinaus viele Anknüpfungspunkte für politische, ethische und soziale Diskussionen.

Das gilt auch für die Beschäftigung mit den sogenannten Influencern bei Instagram oder Youtube. Da geht es schließlich weniger um coole Schminktipps o.ä., sondern vor allem um Werbung. Wie funktioniert diese moderne Form der Vermarktung? In Zeiten der DSGVO muss man auch die Regeln des Datenschutzes und der Privatsphäre kennen und verstehen.

Schon immer haben sich Menschen Wissen angeeignet, indem sie interessante und hilfreiche Informationen gesucht und geordnet haben. Die Digitalisierung treibt dies auf eine neue Ebene. Schließlich stehen uns über Google und zahllose Websites unendlich viele Informationen zur Verfügung. Da muss man umso mehr lernen, das Wesentliche herauszufinden, Tatsachen von Meinungen zu unterscheiden und die Fakten zu ordnen. Das World Wide Web fördert bei einem vernünftigen Umgang also das vernetzte Denken.

Man kann natürlich auch außerhalb von Social Media eigene Inhalte fürs Netz produzieren. Mittlerweile ist es dank Baukästen wie WordPress ziemlich einfach, eine eigene Website zu erstellen. Interessanter wird es, wenn es um etwas komplexere Inhalte wie einen Online-Shop oder eine Datenbank geht. Beispielsweise klagen immer mehr Einzelhändler in der Stadt über die Konkurrenz großer Online-Händler. Gut ausgebildete Programmierer können beim Aufbau einer eigenen Präsenz und Vermarktung im Netz helfen. Die Grundlagen lernen diese Programmierer im besten Fall schon in der Schule.

Smart Home und die Digitalisierung der Arbeitswelt

Die Digitalisierung geht noch weiter. Man denke nur an das Smart Home. Immer mehr Geräte sind vernetzt. Wenn beispielsweise ein vermeintlich bequemes Gerät wie Alexa mit der Stasi verglichen wird, sollten moderne Menschen verstehen, dass der Big Brother kein großer Verwandter ist. Wenn man sich mit Robotern beschäftigt, die immer „intelligenter“ werden, ist es hilfreich, Wissen über Künstliche Intelligenz zu haben, das über den Konsum von Science-Fiction-Filmen hinausgeht (wobei Sci-Fi durchaus Inspiration für reale Wissenschaft sein kann). Die Automatisierung und Digitalisierung haben weitreichende Folgen für die Arbeitsabläufe in vielen Berufen, egal ob in der Fabrik oder im Büro, sowie für die Volkswirtschaft. Auch diesbezüglich sollten die Schüler angemessen auf das spätere Leben vorbereitet werden.

Mit Digitalisierung alte Bildungsstrukturen aufbrechen

Ja, ich kenne die typischen Argumente, die bei solchen Forderungen kommen. Ja, wir haben Lehrermangel und eine schlechte technische Ausstattung in vielen Schulen. Das sind aber keine Gegenargumente, sondern müssen erst recht Gründe sein, mehr in eine vernünftige und moderne Bildungspolitik zu investieren, nicht nur finanziell.

Wo sollen wir das Fach Digitalisierung im engen Stundenplan unterbringen? Da könnten wir einfach mal größer denken und eine neue Ordnung erstellen. Fächer wie Politik und Religion könnten zu einem Fach Soziales zusammengefasst und modernisiert werden. Brauchen wir wirklich Kunstunterricht?

Außerdem könnte das Nachdenken für die Digitalisierung in der Schule dazu führen, dass wir das Kastensystem der Schulfächer aufbrechen und vernetzter lernen. Oben habe ich ja schon angedeutet, dass die Digitalisierung viele Anknüpfungspunkte zu Politik, Wirtschaft, Geschichte etc. hat. Wenn man sich fortschrittliche Schulen, z.B. die Preisträger beim Deutschen Schulpreis oder erst recht Schulen im Ausland ansieht, erkennt man, dass immer mehr in Projekten, Gruppen und fächerübergreifenden Themen gelernt wird. Da passt die Digitalisierung genau rein.