Neue Feiertage – ein Gedankenexperiment

Am Wochenende ist Pfingsten, einer der Feiertage, an denen sich viele Menschen fragen, was da überhaupt gefeiert wird. Auch bei Christi Himmelfahrt oder Fronleichnam beispielsweise gibt es regelmäßig Umfragen und Berichte, die zeigen, dass die meisten Menschen keinen Bezug zu solchen Tagen haben. Wir freuen uns über freie Tage, an denen wir entspannen können. Doch der religiöse Hintergrund ist in vielen Fällen verloren gegangen. Daher wage ich mal ein radikales Gedankenexperiment. Wie wäre es, wenn wir die religiös begründeten Feiertage abschaffen und dafür ganz neue, andere Feiertage einführen?

Es könnte neue Feiertage beispielsweise für Kinder geben.

Vorbilder in einigen Bundesländern

Das Bundesland Berlin erklärte 2019 den internationalen Frauentag, der vor rund hundert Jahren eingeführt wurde, zum gesetzlichen Feiertag am 8. März. Auf ähnliche Weise beschloss Thüringen ebenfalls 2019, den Kindertag am 20. September als offiziellen Feiertag in diesem Bundesland einzuführen. Diese beiden Beispiele zeigen, dass man keine religiösen Geschichten braucht, um solche bedeutenden Tage zu haben. Um die Reihe zu vervollständigen, könnten wir noch Christi Himmelfahrt durch das ersetzen, was dort mittlerweile sowieso gefeiert wird, nämlich ein Männertag. Damit hätten wir schon drei Alternativen zum heutigen Kalender.

Feiertage sollten Menschen statt Religion würdigen

Wenn sich immer weniger Menschen für Kirche und Religion interessieren, können wir bei den Feiertagen mehr die Menschen in den Mittelpunkt rücken. Wir können diese Tage nutzen, um auf wichtige Probleme hinzuweisen und zum Nachdenken anzuregen. Ein weiterer Vorschlag in meiner Gedankenwelt ist deshalb ein Tag der Minderheiten. Damit werden die Menschen gewürdigt, die wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit, ihres religiösen Hintergrunds oder sozialer Probleme am Rande der Gesellschaft stehen. Das wäre eine Möglichkeit, an die Bedeutung der Grundrechte zu erinnern. Ein denkbares Datum dafür wäre der als Tag der Befreiung bekannte und schon von anderen Menschen als Feiertag geforderte 8. Mai.

In eine ähnliche Richtung ginge ein Gemeinschaftstag / Friedenstag. Obwohl sich die Vorteile der Demokratie in vielen Ländern durchgesetzt haben, gibt es auch heutzutage noch viel zu viele Kriege und andere gewalttätige Auseinandersetzungen. Daher müssen wir weiterhin für Frieden werben und zeigen, dass wir am besten zusammenleben, wenn wir trotz unterschiedlicher Interessen und Voraussetzungen eine Gemeinschaft bilden. Auch für diesen Tag gäbe es eine mögliche Verbindung zu einem bereits vorhandenen Datum, nämlich dem 27. Januar als Gedenktag zum Holocaust.

Können wir einen Feiertag auf ein Datum legen, das historisch belastet ist? Diese Frage gab es schon, als nach der Wiedervereinigung ein Termin für den Tag der Deutschen Einheit gesucht wurde. Dabei fiel die Entscheidung, statt des 9. November (Mauerfall) den 3. Oktober (Bürokratie) zu nehmen. Meiner Meinung nach ein Fehler.

Natur und Gesundheit als weitere Themen

Eines der wichtigsten Themen der Gegenwart ist bekanntlich der Kampf gegen den Klimawandel. Dass vor allem der konservative Teil der Gesellschaft sich damit so schwertut, zeigt uns deutlich, wie viele Menschen den Bezug zur Natur verloren haben. Der Earth Overshoot Day bringt die Problematik auf den Punkt. Wir müssen Tiere und Pflanzen nicht nur beim Aufenthalt im Zoo oder Wald würdigen. Um das positiv zu behandeln, wäre ein offizieller Naturtag wertvoll.

Nicht erst seit der Corona-Pandemie wissen wir, wie wichtig die Gesundheit für unser Leben ist. Das Thema hat viele Facetten. Es geht um die medizinische Versorgung und die Pflege kranker und alter Menschen, aber auch um Fitness und eine ausgewogene Ernährung. All das könnten wir an einem Gesundheitstag beleuchten, der am besten irgendwann im Sommer in den Kalender passen würde.

Weihnachten und Ostern umwidmen

Wie sieht es denn in meinem Gedankenexperiment mit den größten Feiertagen Weihnachten und Ostern aus? Ja, diese Großveranstaltungen kann man nicht so einfach abschaffen. Aber wir könnten sie umwidmen und neu gestalten. Beginnen wir mit der Weihnachtszeit. Dort gibt es nach katholischer Tradition nicht nur den Heiligen Abend und die folgenden Festtage, sondern auch das sogenannte Fest der heiligen Familie. Streichen wir einfach mal das „heilig“. Dann haben wir ein Fest der Familie. Schließlich ist das Wichtigste der Weihnachtszeit für die meisten Menschen das Treffen mit der Familie inklusive Geschenken und Essen. Die Symbolik mit Lichtern im dunklen Winter u.ä. könnten wir durchaus behalten. Die gibt es schließlich auch in anderen Zusammenhängen, zum Beispiel beim jüdischen Chanukka-Fest.

Ähnliches gilt für Ostern, woraus man ein Fest des Lebens machen könnte. Die bekannten Symbole dieser Zeit wie die Eier und der Hase stehen schließlich für Fruchtbarkeit und Leben. Bei beiden Feiertagen würde sich also auch ohne die religiöse Verbindung im Vergleich zum heutigen Zustand nicht allzu viel ändern. Wer weiterhin kirchliche Rituale zelebrieren möchte, könnte das natürlich weiterhin tun.

Feiertage, die bleiben, und weitere Regeln

Es gibt ja bereits einige Feiertage, die nicht auf der christlichen Tradition beruhen. Dazu gehören Neujahr und der Tag der Arbeit am 1. Mai. Solche Tage können natürlich gerne auch im Zukunftsszenario erhalten bleiben. Gleiches gilt für inoffizielle Brauchtumstage wie Karneval/Fasnet/Fasching.

Wenn wir schon die Feiertage neu regeln, sollten wir das bundesweit umsetzen. Dann gäbe es auch keinen Streit und Neid mehr darüber, dass beispielsweise Bayern mehr davon hat als andere Bundesländer. Außerdem wäre es sinnvoll, für jeden Feiertag ein festes Datum zu wählen. Dann entfiele die Rechnerei mit Tagen, die vom schwankenden Osterdatum abhängen. Mit festen Daten kann es natürlich passieren, dass der eine oder andere Feiertag aufs Wochenende fällt, wie wir im aktuellen Jahr 2021 deutlich sehen. Da wäre es sinnvoll, darüber nachzudenken, solche Feiertage wie in anderen Ländern beispielsweise am nächsten Montag nachzuholen.

Nur ein Gedankenexperiment

Mit den Vorschlägen in diesem Beitrag möchte ich nichts schlechtreden und niemanden in der Ausübung seiner Religion beschränken. Mir ist bewusst, dass das nicht so radikal umsetzen lässt. Es handelt sich lediglich um ein Gedankenexperiment. Ich möchte damit einfach mal zum Nachdenken anregen. Wie wichtig sind uns die Feiertage?