Höhere Kosten durch Nichtstun: Warum die Sparpläne der Politik teuer werden

Nicht erst seit Finanzminister Christian Lindner kürzlich seinen Haushaltsplan im Deutschen Bundestag vorgestellt hat, wird über die Kosten verschiedener politischer Projekte diskutiert. Minister, andere Politiker, Medien und die Öffentlichkeit streiten darüber, wofür wie viel Geld ausgegeben werden sollte. Vor allem konservative Vertreter und Politiker vom rechten Rand schreien laut auf. Bei vielen Themen werden allerdings die wahren Kosten ignoriert oder verschwiegen, nämlich diejenigen Kosten, die in der Zukunft immer größer werden, wenn in der Gegenwart falsch gespart wird.

Bei der Diskussion um die Kosten darf man die Kosten des Nichtstuns nicht ignorieren.

„Wer soll das bezahlen?“

„Wer soll das bezahlen? Wer hat das bestellt? Wer hat so viel Pinkepinke? Wer hat so viel Geld?“ Diese Fragen stellte der Kölner Karnevalist Jupp Schmitz in seinem bekannten Lied bereits 1949. Interessant ist dabei der geschichtliche Hintergrund. Denn Schmitz reagierte damit auf die Währungsreform von 1948, bei der die D-Mark eingeführt wurde, was ähnlich umstritten war wie viele Jahre später die Euro-Einführung. Kurz nach der D-Mark kam allerdings das sogenannte Wirtschaftswunder.

Aktuell stecken wir wieder in einem großen Umbruch. Die Klimakrise, Corona und die Folgen des Kriegs in der Ukraine haben für große Belastungen gesorgt. Bei vielen Menschen ist ein Gefühl der Ohnmacht entstanden. Finanzminister Lindner sitzt auf dem Geld wie Dagobert Duck in seinem Geldspeicher. Mit sturem Verweis auf die Schuldenbremse stimmt er ein Klagelied wie einst Jupp Schmitz an. Doch damit liegt er völlig falsch. Erstens wäre durchaus genug Geld da; man muss es nur sinnvoll nutzen. Zweitens gibt es eben die Kosten durch Nichtstun, die viel schlimmer sind, als direkt vernünftig zu investieren.

Gasheizungen und E-Fuels

Ein prominentes Beispiel für diesen Fehler ist die Aufregung um das Gebäudeenergiegesetz, besser bekannt als Heizungsgesetz. Von Beginn an schreien Politiker der AfD und der ebenfalls immer weiter nach rechtsaußen rückenden CDU/CSU bei diesem Thema so wild, als hätten sie sich gerade an einer zu heiß aufgedrehten Heizung die Finger verbrannt. Begleitet werden sie dabei von Hetze seitens populistischer Medien.

Natürlich bedeutet es erstmals große Investitionen in Wärmepumpen und andere alternative Heizmethoden inklusive Arbeitszeit für den Umbau der Häuser. Aber zugleich steigen auch die Kosten für Gas und Öl. Es liegt in der Natur der fossilen Energie, dass sie endlich sind. Daher ist leicht erkennbar, dass eine hohe Nachfrage bei geringer werdendem Angebot zu steigenden Kosten führt. Das ist ein simpler Grundsatz in der Wirtschaft.

Bei den fossilen Energien landen wir natürlich auch schnell bei Lindners FDP-Kollegen Volker Wissing, der seit seinem Amtsantritt als Verkehrsminister nur mit fossilem Lobbyismus und Arbeitsverweigerung auffällt. Für die als Heilsbringer für Verbrennermotoren verkauften E-Fuels, also synthetischen Kraftstoffe, gilt ähnliches wie bei den Heizungen. Sie sind sehr teuer und außerdem sehr ineffizient. Fahrradwege und eine funktionierende Deutsche Bahn würden wesentlich mehr bringen. Aber da ist ja noch nicht mal die Zukunft des 49-Euro-Tickets gesichert.

Kindergrundsicherung und Schulen: Was ist uns der Nachwuchs wert?

Ein weiteres Streitthema der Ampel-Regierung war zuletzt die neu eingeführte Kindergrundsicherung, die finanzielle Leistungen für den Nachwuchs bündelt. Familienministerin Paus hatte dafür zweistellige Milliarden-Summen eingeplant. Doch auch hier setzte sich Lindner komplett durch. Es blieben nur 2,4 Milliarden Euro übrig. Ebenso wird der Haushalt des Bildungs- und Forschungsministeriums gekürzt.

Die Folgen kennen nicht nur Eltern von Schülern, sondern auch Nachhilfelehrer wie ich. Schon nach der aktuellsten Statistik, die ich gerade dazu finden kann, war es 2010 rund eine Milliarde Euro, die für Nachhilfe ausgegeben wurde. Seit die Schüler in der Corona-Zeit von der Politik noch mehr vernachlässigt wurden, dürfte die Zahl nicht gesunken sein. Mal ganz zu schweigen davon, dass das ganze deutsche Bildungssystem seit Jahren ein Sanierungsfall ist.

Manche Kommentatoren beschreiben Deutschland sogar als kinderfeindlich. Noch schlimmer wird es, wenn man in der Familie Bürgergeld erhält. Da ist dann die Hetzerei besonders drastisch.

Fehlende Digitalisierung lähmt das Land

Eng verbunden mit den Problemen im Bildungssystem ist auch die ebenso katastrophale Digitalisierung in Deutschland. Der Digitalpakt Schule, mit dem es wenigstens ein bisschen vorangehen sollte, ist ein Auslaufmodell, bevor er richtig in Schwung gekommen ist.

Ähnlich sieht es mit der Digitalisierung der deutschen Verwaltung aus. 334 Vorhaben in diesem Bereich hatte sich die Regierung mal vorgenommen. Nach der halben Amtszeit sind nur zehn Prozent davon umgesetzt. Die CDU-Vorgänger haben erst recht nichts zum Bürokratie-Abbau beigetragen. Da mutet es umso lächerlicher an, wenn ein Friedrich Merz die Kindergrundsicherung wegen zu viel Bürokratie ablehnt.

AfD hoch, politische Bildung runter

Apropos Merz. Er und seine Freunde von der CDU haben die Brandmauer nach rechts mittlerweile eingerissen. Angetrieben von steigenden Umfragewerten der AfD ist ein finsterer Wettlauf entstanden, wer die größten Schreihälse sind. Zuletzt hat zusätzlich noch Hubert Aiwanger unter dem Schutz von Markus Söder für Aufmerksamkeit gesorgt. Dass es nicht nur um böse Worte, sondern auch Taten geht, zeigt die steigende Zahl der extremistischen Straftaten, rechts wie links.

Wie lässt sich sowas verhindern? Richtig, mit politischer Bildung und Aufklärung. Dann könnte man zum Beispiel am Vorbild der Weißen Rose lernen, wie man ein Flugblatt vernünftig einsetzt. Dummerweise sollen aktuell auch die Ausgaben für politische Bildung in den unangemessenen Sparplänen zusammengestrichen werden.

Kosten der Klimakrise: Flut statt Geldregen

Bei keinem Thema wird der Kontrast zwischen dem Gejammer über aktuelle Ausgaben und den tatsächlichen Kosten in der Zukunft so deutlich wie beim Kampf gegen die Klimakrise. Hier kommen der fossile Lobbyismus, die Arbeitsverweigerung des Verkehrsministers, die langsame Sanierung und Umgestaltung von Gebäuden und Städten und weitere Probleme zusammen.

Ein Beispiel, wie es gut laufen könnte, liefert Kopenhagen. Dort kann man nicht nur wunderbar Rad fahren. Die Stadt wurde und wird seit einem traumatischen Erlebnis zur Schwammstadt umgebaut, um sich vor Überschwemmungen zu schützen. Ja, das ist teuer und aufwändig. Aber die Menschen dort haben im Gegensatz zu deutschen Politikern verstanden, dass es ohne solche Veränderungen noch viel teurer würde. In Deutschland mussten für die Beseitigung der Schäden, die durch das Hochwasser 2021 entstanden, 30 Milliarden Euro für einen Hilfsfonds ausgegeben werden und laut Studien könnte der Klimawandel in unserem Land insgesamt bis zu 900 Milliarden Euro Kosten verursachen, wenn man ihn nicht aufhält. Leider ist die kognitive Dissonanz bei diesem Thema hierzulande immer noch zu groß.

Vernünftig sein kostet nur Überwindung

Wir müssen bei all den Themen, die ich jetzt angesprochen habe, endlich aufwachen und handeln. Die vernünftigen Menschen, die nicht nur auf kurzfristigen Profit blicken, sondern auch die Folgen für die Zukunft sehen, müssen sich durchsetzen. Dann können wir das konservative Denken endlich überwinden und modern werden.