Ein kleiner Zettel zeigt große Probleme

In der Geschichte gab es schon einige berühmte Zettel. Luther nagelte (angeblich) Papier an die Kirchentür, Schabowski beschleunigte das Ende der DDR und Fußballfans machten aus einem Zettel in einer Socke eine Sensation. Doch nun diskutiert Deutschland über ein eigentlich unauffälliges Stück Papier, nämlich den Kassenzettel.

Kassenzettel auszudrucken, ist im digitalen Zeitalter unsinnig.

Ab 2020 müssen laut dem „Gesetz zum Schutz vor Manipulationen an digitalen Grundaufzeichnungen“, kurz Kassengesetz genannt, alle Anbieter, die Waren oder Dienstleistungen verkaufen, für jeden einzelnen Kauf einen Kassenzettel ausdrucken. Damit bestätigt Deutschland nicht nur sein Image als Bürokratiemonster. Die geplanten Änderungen zeigen, dass in der deutschen Politik einiges falsch läuft.

Steuerhinterziehung vorgeschoben

Schon die Begründung für diese neue Regel ist unsinnig. Angeblich geht es um Steuerhinterziehung. Doch wenn die Politiker dem Staat mehr Steuereinnahmen bescheren wollen, sollten sie sich endlich mal um die Steuern von Konzern wie Facebook, Google, Starbucks etc. kümmern. Sie könnten außerdem an die sehr reichen Menschen und die Steuerparadiese rangehen oder das viel zu komplizierte Steuerrecht überarbeiten.

Kassenzettel meistens nutzlos

Es ist auch sinnlos, immer mehr Kassenzettel zu drucken, die fast niemand haben will. Sehr viele Kassenzettel, vor allem bei Supermärkten und anderen alltäglichen Einkäufen, wirft der Kassierer direkt vom Drucker in den Mülleimer, weil die Kunden sie nicht annehmen. Ich bin zwar ein Freund des Bargelds, aber die Kassenzettel sind nur nützlich, wenn es um Gewährleistung oder teure Produkte geht. Bei solchen Bons, die länger aufbewahrt werden, ist es aber unsinnig, diese auf dem üblichen Thermopapier zu drucken, das nicht nur schnell verblasst, sondern durch die Beschichtung mit Bisphenol A auch noch giftig ist. Diese Belege muss man dann zu Hause einscannen oder zusätzlich auf normales Papier kopieren, um sie aufbewahren zu können.

Plastik weg, dafür mehr Thermopapier

Mit dem neuen Kassenzettel-Gesetz bestätigt die deutsche Politik außerdem, dass sie den Umweltschutz nicht ernst nimmt. Plastiktüten werden verboten und eine viel umfangreichere Reduzierung von Plastikverpackungen wäre nötig. Doch mit den Kassenzetteln produzieren wir dann zusätzlichen, unnötigen Müll. Das beschichtete Material lässt sich eben nicht recyceln; das Thermopapier wird mit dem Restmüll „thermisch verwertet“, sprich verbrannt.

Digitale Daten nutzen

Thermopapier kommt nicht nur bei Kassenzetteln, sondern auch bei Fahrkarten zum Einsatz. Dabei kam man letztere problemlos übers Smartphone kaufen. Bahntickets in der DB-App erzeugen beispielsweise nur einen QR-Code statt Thermopapier. Die Digitalisierung könnte man auch für die Nachweise nutzen, die das Finanzministerium mit dem neuen Gesetz erreichen will. Elektronische Registrierkassen speichern sowieso die Daten zu allen Bezahlvorgängen. Aus diesen Daten könnte man entsprechende Dokumente zusammenstellen und dem Finanzamt übermitteln, ähnlich wie steuerpflichtige Privatpersonen das Elster-Programm nutzen, um gespeicherte Daten für die Steuererklärung abzurufen. Die letzten Sätze stehen im Konjunktiv, weil Deutschland weiterhin bei digitaler Infrastruktur und der Nutzung der entsprechenden Möglichkeiten sehr rückständig ist. Mit den Plänen rund um die Kassenzettel hat die deutsche Politik sich richtig verzettelt.