7 Stunden Pflege im TV: #nichtselbstverständlich und zu wenig

Dass die Arbeit der Krankenschwestern und Krankenpfleger #nichtselbstverständlich ist, zeigten Joko und Klaas gestern Abend in Zusammenarbeit mit ProSieben. Aus den üblichen 15 Minuten frei verfügbarer Sendezeit machten sie mal eben fast sieben Stunden. Von 20.15 Uhr bis 3.00 nachts war der komplette Arbeitstag einer Krankenpflegerin zu sehen. Aus der Perspektive einer umgehängten Kamera konnten die Zuschauer sehen, wie Meike Ista mit den Patienten und Kollegen sprach, Medikamente und Spritzen bearbeitete, ständig unterwegs war und kaum dazu kam, eine Pause zu machen. Die Bilder aus dem Krankenhaus beeindruckten und bewegten die Zuschauer. Aber es ist noch längst nicht genug.

#nichtselbstverständlich: Der Anfang der knapp siebenstündigen Doku ist bei Youtube zu sehen.

Mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen

Diese sieben Stunden Pflege im Fernsehen können nur der Anfang sein. Entsprechende Reaktionen müssen nicht nur in Form von Twitter-Kommentaren und lobenden Worten für ProSieben kommen. Wir brauchen viel mehr Aufmerksamkeit für dieses Thema und andere gesellschaftliche Probleme. Die Politik und die Verantwortlichen in den Führungsetagen von Verbänden und Pflegeeinrichtungen müssen endlich dafür sorgen, dass die Menschen in den Pflegeberufen endlich mehr Geld und bessere Arbeitsbedingungen bekommen. Von Applaus können Meike Ista und ihre Kollegen nicht leben. Wir müssen diese Berufe nicht nur systemrelevant nennen, sondern sie auch entsprechend behandeln. Denn sie sind mehr als relevant, sie sind extrem wichtig und wertvoll. Sie sind eben #nichtselbstverständlich.

Berufe in der Pflege müssen besser behandelt werden.

Zu wenig Aufmerksamkeit in den Medien

Die lange Dokumentation zur Pflege sorgte für viele Kommentare bei Twitter und auf den anderen Social-Media-Kanälen. Bei vielen Menschen gab es Interesse an diesem Beitrag im XXL-Format, obwohl er überraschend gesendet und zumindest in dieser über 15 Minuten hinausgehenden Länge nicht angekündigt war. Konkurrierende TV-Sender und andere Medien lobten während der Ausstrahlung die außergewöhnliche Aktion.

Doch es ist ebenso traurig zu sehen, wie geringschätzig viele Reaktionen nun im Anschluss sind. Vorbildlich präsentiert sich der stern. Das Magazin hat mehrere Artikel dazu veröffentlicht. Das ist wohl kein Zufall. Denn der stern hat vor kurzem eine eigene Petition zur Pflege durchgeführt und war entsprechend sensibilisiert für das Thema. Schlecht machte es hingegen der Spiegel. Der erste Bericht über die Sendung wurde in der Rubrik Kultur versteckt, weit unten hinter Fußball und Yellow-Press-Promi-News. Der Artikel enthielt kaum mehr Informationen als die vorab verbreitete Pressemitteilung, zeugt also nicht von ernsthaftem Interesse. Auch der Reaktionen-Artikel bestand fast nur aus zusammenkopierten Tweets und Einschaltquoten. Komplett ignoriert wurde das Thema auf den Nachrichtenseiten von ARD (tagesschau.de) und ZDF.

Wichtige Themen in den Mittelpunkt rücken

Grundsätzlich ist es auch peinlich für ARD und ZDF, dass die Konkurrenz vom Privatfernsehen Sendezeit und Werbeblöcke beiseite räumen muss, um solch ein Thema zur Primetime zu zeigen. Die öffentlich-rechtlichen Sender zeigen Dokumentationen und Diskussionen zu wichtigen gesellschaftlichen Themen frühestens um 22.00 Uhr, mit entsprechend geringeren Zuschauerzahlen. Auch das muss sich endlich ändern. Egal ob Fernsehen, Online-Medien oder Zeitungen und Zeitschriften – die wichtigen Probleme unserer Zeit müssen endlich in die Hauptsendezeit und auf die Titelseiten!

Mindestens einmal pro Woche brauchen wir solche Beiträge wie #nichtselbstverständlich in den Medien und in der Öffentlichkeit. ProSieben hat gezeigt, dass sich viele Menschen solche Beiträge sogar über viele Stunden bis mitten in die Nacht ansehen, wenn man ihnen deutlich zeigt, wie wichtig sie sind.

Stille Helden und Themen, die #nichtselbstverständlich genug sind

Es gibt stille Helden wie in der Pflege auch in anderen Bereichen. Denkt nur mal an die Reinigungskräfte, die alles für uns sauber halten! Denkt an die Erzieher(innen) und Lehrer(innen), die sich um die Bildung unserer Kinder kümmern! Vergesst nicht all die Menschen, die sich in Hilfsorganisationen oder in verschiedenen ehrenamtlichen Tätigkeiten engagieren. Auch das Engagement dieser Menschen ist #nichtselbstverständlich.

Wir müssen bei vielen weiteren Themen, die die Politik seit Jahrzehnten verschleppt, medial und persönlich mehr Druck machen. Das ist nicht nur das ganz große Problem namens Klimawandel. Viele Probleme gibt es auch in der Bildungspolitik, in der Digitalisierung und allgemein der Modernisierung. Genauso müssen wir uns um mehr soziale Gerechtigkeit kümmern und Themen wie ein bedingungsloses Grundeinkommen voranbringen. Wir müssen über zu viel Bürokratie und zu wenig Transparenz reden. Es gibt viel zu tun, damit sowas selbstverständlich wird.