Derzeit läuft eine politische Debatte über die Einführung einer allgemeinen Dienstpflicht für junge Menschen. Von CDU-Generalsekretärin Annegret Kramp-Karrenbauer kam ein entsprechender Vorschlag. Die Idee ist jedoch Unsinn. Eine Dienstpflicht hätte überhaupt keinen sinnvollen Effekt. Vor allem mit Blick auf die Pflicht.
Ich habe selbst Zivildienst geleistet. Ich war in der Zeit in einem Seniorenheim beschäftigt und habe den alten Menschen bei Dingen geholfen, die nicht direkt zur medizinischen Pflege gehören: Essen, Spazierengehen etc. Diese Zeit war wichtig und wertvoll für mich. Ich habe zum ersten Mal nach dem Abitur gearbeitet und mich im Umgang mit anderen, fremden Menschen verbessert. Mit anderen Worten: Ich habe einiges fürs Leben gelernt, was mir heute noch hilft.
Dennoch halte ich nichts von der eingangs erwähnten Dienstpflicht. Schauen wir zunächst mal darauf, wie es damals war, bevor die Wehrpflicht und der damit verbundene Zivildienst 2011 abgeschafft wurden. Warum ging man damals zur Bundeswehr? Entweder hatte man Lust an Waffen und autoritärem Gehabe oder man hat es nicht zum Zivildienst geschafft. Dabei war der Weg dorthin ziemlich einfach. Man musste sich nur auf Artikel 4, Absatz 3, Satz 1 des Grundgesetzes („Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit der Waffe gezwungen werden.“) beziehen und einigermaßen überzeugend im Antrag zur Kriegsdienstverweigerung etwas von seinen Bedenken berichten. Salopp gesagt: Opa erzählt vom Krieg und ich habe zugehört. Die Möglichkeiten beim Zivildienst waren vielfältig: im Seniorenheim, im Rettungsdienst, im Krankenhaus etc.
Aber was bringt eine Möglichkeit, wenn man sie nicht nutzt? Da sind wir beim Problem der Pflicht. Ein Dienstleistender, der seine Aufgabe nicht ernst nimmt und sie unmotiviert oder gar nicht erfüllt, ist in seinem Einsatzgebiet nutzlos. Gerade im Umgang mit pflegebedürftigen oder kranken Menschen brauchen wir Helfer, die motiviert arbeiten. Sie müssen sich für die Menschen, mit denen sie zu tun haben, interessieren und sich freundlich um sie kümmern. Dazu braucht der Dienstleistende eine grundsätzlich positive Einstellung. Diese lässt sich aber nicht erzwingen. Wer eine Aufgabe nur erledigt, weil er sie erledigen muss, ist fehl am Platz. Zwangsarbeit ist in Deutschland sowieso verboten.
Für (junge) Menschen, die sich sozial engagieren wollen, gibt es aber schon genügend Möglichkeiten. Dazu gehören der Bundesfreiwilligendienst und das Freiwillige Soziale Jahr. Außerdem gibt es zahlreiche Bereiche, in denen man sich ohne einen solchen Rahmen jederzeit ehrenamtlich betätigen kann: Kirchen, Vereine, Parteien, Wahlhelfer, Schöffen, freiwillige Feuerwehr etc. Wer für eine solche Tätigkeit Zeit und Energie aufwendet, tut dies aus Überzeugung und braucht keine Dienstpflicht. Statt über eine Dienstpflicht zu diskutieren, sollten die Politiker mehr Werbung für Bufdis, FSJler und Ehrenamtler machen und diese Menschen unterstützen.
Ebenfalls mehr Aufmerksamkeit sollten Menschen bekommen, die hauptberuflich in sehr wichtigen, aber kaum gewürdigten Berufen arbeiten. Es ist ja allgemein bekannt, dass gerade solch Berufe wie Altenpfleger, Krankenschwester, Rettungsfachkräfte, Lehrer, Erzieher und Sozialarbeiter, die für eine funktionierende, gleichberechtige Gesellschaft enorm wichtig sind, leider oft schlecht bezahlt sind und die Berufstätigkeiten in diesen Bereichen kaum eine Lobby haben.
Die Dienstpflicht im Sinne des Vorschlags aus der CDU wäre mit großem organisatorischen und finanziellen Aufwand verbunden. Auch das spricht gegen eine (Wieder-)Einführung. Die personellen Kapazitäten und das Geld, das dafür nötig wäre, kann man besser in die Stärkung der bestehenden Möglichkeiten stecken.
Eine Kombination aus gut bezahlten sozialen Berufen und der Stärkung des freiwilligen Engagements in der Gesellschaft ist eine viel bessere Lösung als die Dienstpflicht.