Im März 2021 habe ich in meinem Blog eine Kurzgeschichte aus Futurissimae erzählt. Dabei habe ich anhand der von mir ausgedachten Stadt gezeigt, wie das Leben in einer besseren Zukunft aussehen könnte. Nun greife ich in einer kleinen Serie einzelne Aspekte aus dieser Vision auf. Ich möchte dabei überprüfen, wie der aktuelle Stand bei dem jeweiligen Thema ist und was man in Zukunft noch verbessern könnte. Im zweiten Teil beschäftige ich mich mit der Arbeitswelt.
In der heutigen Arbeitswelt lösen sich derzeit einige traditionelle Modelle auf und werden neu gestaltet. Klassische 9-to-5-Jobs werden seltener. Die Covid-19-Pandemie hat dafür gesorgt, dass sich die Arbeit im Homeoffice etabliert hat und die Digitalisierung zumindest etwas vorangetrieben wurde. Die Vier-Tage-Woche soll für eine bessere Work-Life-Balance sorgen und auch auf die Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird immer mehr geachtet. Auf dem Weg in eine bessere Welt gibt es also einige Good News, aber trotzdem noch viel zu tun.
Konflikt ums Homeoffice: Wie Beschäftigte den Chefs widersprechen
Als vor gut vier Jahren dieses Coronavirus unsere Welt völlig durcheinander brachte, war natürlich auch die Arbeitswelt von den Kontaktbeschränkungen betroffen. Vor allem bei Bürojobs und anderen Tätigkeiten, die im Wesentlichen digital erledigt werden, schaffte ein Modell den Durchbruch, das bisher ein Nischenthema gewesen war. Seitdem kennen wir alle den Begriff Homeoffice, der offiziell eigentlich Telearbeit heißt. Viele Arbeitnehmer richteten sich einen Arbeitsplatz in der eigenen Wohnung ein.
Seit dem Ende der Pandemie entwickelte sich das Homeoffice zu einem intensiv diskutierten und umstrittenen Thema. Während sich viele Beschäftigte an die Vorteile dieser modernen Arbeitswelt gewöhnt haben, versuchen einige Arbeitgeber, wieder mehr Präsenz durchzusetzen. Die Zahlen bestätigen den Konflikt sehr deutlich. Laut Umfragen fordern mindestens zwei Drittel der befragten Firmenchefs eine Rückkehr der Angestellten ins Büro. Kurioserweise gehören dazu ausgerechnet viele Chefs von großen Digitalfirmen, von deren Produkten das Homeoffice eigentlich profitiert. Mindestens ebenso viele Beschäftigte bevorzugen hingegen die Arbeit von zuhause. Nach einer ganz aktuellen Umfrage droht sogar fast die Hälfte der Büroangestellten bei einer Abschaffung des Homeoffice mit Kündigung.
Hybrides Arbeiten wäre die beste Lösung
Genau diese Umfrage deutet zugleich an, wie sich der Konflikt lösen lassen könnte: „So gaben 62 Prozent der Befragten an, sie empfänden es als optimal, die Hälfte der wöchentlichen Arbeitszeit oder mehr im Büro zu verbringen.“ Diese Variante bezeichnet man als hybrides Arbeiten. Es ist also eine Mischung aus Homeoffice und Präsenzarbeit. So arbeiten die Protagonisten in meiner Futurissimae-Welt.
Bei diesem Kompromiss profitieren beide Seiten. Die Beschäftigten sparen Zeit und Nerven, wenn sie nicht jeden Tag den Weg zum Büro auf sich nehmen müssen. Das entlastet nebenbei auch den ebenfalls im Umbruch befindlichen Verkehr und schont somit die Umwelt. Je nach Tätigkeit lässt sich zuhause auch die Arbeitszeit flexibler einteilen. An den Präsenztagen finden dann die ebenfalls wichtige Interaktion der Belegschaft und wichtige Besprechungen statt. Bei flexiblen Arbeitsplätzen werden außerdem weniger Räume benötigt und der frei werdende Platz kann für Wohnungen oder andere Zwecke genutzt werden. Die Produktivität hängt hingegen laut Studien nicht davon ab, wo die Arbeit ausgeführt wird. Da wäre die Lösung mit „best of both worlds“ wohl ebenfalls ideal.
Digitalisierung der Arbeitswelt: Da geht noch mehr
Um diese Lösung umsetzen zu können, brauchen wir natürlich eine gut digitalisierte Arbeitswelt mit ordentlichen Laptops und stabilem, schnellem Internet. Zum Thema Digitalisierung habe ich in diesem Blog schon viel geschrieben. Wie sieht es also in Deutschland aus? Es überrascht wohl niemanden, dass die Antwort nicht allzu positiv ausfällt.
Das Bundeswirtschaftsministerium hat die Entwicklung mit dem sogenannten Digitalisierungsindex abgebildet. Ausgehend von einem Grundwert 100 im Jahr 2020 wird die Veränderung gemessen. 2023 lag der Wert bei 108,6 Punkten und damit niedriger als ein Jahr zuvor. Fortschritt sieht anders aus. Dass die Digitalisierung am besten in der Branche der Informations- und Kommunikationstechnik ist und in der Stadt besser als auf dem Land funktioniert, ist logisch.
Woran liegt die Schwäche? In einer Umfrage von 2023 nannten die meisten Unternehmen (77%) als größte Hürde den Datenschutz. Das erscheint mir eher als typisch deutsche Ausrede. Die Zwei-Faktor-Authentifizierung ermöglicht einen sicheren Zugang zu Online-Accounts. Tools wie Bitlocker sorgen dafür, dass Daten auf Arbeitslaptops geschützt sind. An den technischen Möglichkeiten scheitert es nicht, sondern eher an konservativen Einstellungen und mangelndem Engagement.
Vier-Tage-Woche: Bessere Work-Life-Balance oder Faulheit?
Neben dem Homeoffice wird derzeit vor allem ein Thema in der (deutschen) Arbeitswelt heiß diskutiert: die Vier-Tage-Woche. Sie wird gerade von vielen Unternehmen getestet. Dabei treffen ebenfalls sehr gegensätzliche Stimmen aufeinander. Die Befürworter sprechen von einer besseren Work-Life-Balance, Gegner werfen den Menschen Faulheit vor.
Was die Faulheit betrifft, ging vor ein paar Tagen ein diesbezüglicher Vorwurf eines US-Kolumnisten durch die Medien. Experten widersprechen jedoch und betrachten das Thema differenzierter. Sie verweisen auf eine hohe Teilzeit-Quote in Deutschland und auf den steigenden Anteil von berufstätigen Frauen. Auch die junge Generation ist besser als ihr Ruf. Gerade die modern denkenden Menschen erkennen die Vorteile der Work-Life-Balance.
Dabei ist der Begriff etwas irreführend, denn natürlich ist die Arbeit ein Teil des Lebens. Mit „Life“ ist die arbeitsfreie Zeit gemeint, die man für Familie, Freunde und Freizeitaktivitäten nutzen kann. Braucht man dazu drei Tage in der Woche, was ja die Konsequenz einer Vier-Tage-Woche wäre? Es würde jedenfalls für mehr Entspannung und weniger Stress sorgen. Schließlich bedeutet Freizeit ja, entgegen manchem Vorurteil, nicht nur vor dem Bildschirm abzuhängen. Tätigkeiten im Haushalt und die Beschäftigung mit der Familie gehören dazu. Nicht zu unterschätzen ist auch, dass sich immerhin gut 20% der Deutschen abseits ihrer bezahlten Arbeit ehrenamtlich engagieren, was für eine funktionierende Gesellschaft äußerst wertvoll ist.
Ist denn die Arbeit in vier Tagen pro Woche überhaupt zu schaffen? Studien aus mehreren Ländern beantworten diese Frage mit einem klaren Ja, egal ob 40 Stunden auf 32 verkürzt oder auf vier Tage verteilt werden. Wenn die Beschäftigten mehr Zeit zur Erholung haben, gehen sie motivierter an die Arbeit und die Produktivität steigt. Das weiß jeder, der schon mal mit einer Deadline zu tun hatte. Wer noch viel Zeit übrig hat, neigt zum Prokrastinieren. Wenn hingegen klar ist, dass man in wenigen Tagen fertig sein muss, arbeitet man konzentrierter und intensiver.
Mehr Quality Time für die Familie macht die Arbeitswelt attraktiver
Während die Work-Life-Balance für alle Arbeitnehmer unabhängig vom Familienstand betrifft, geht es bei der Vereinbarkeit von Familie und Beruf vor allem um (junge) Eltern und da mehrheitlich um die Mütter. Früher war es ja meistens so: Wenn ein Paar Nachwuchs bekommt, geht die Mutter erst in Elternzeit und später in Teilzeit, um Arbeit und Erziehung zeitlich irgendwie zu schaffen. Dieses Vorgehen ändert sich nur langsam.
Das Thema ist sehr komplex. Daher beschränke ich mich hier auf ein paar Zahlen aus der Statistik. In Deutschland bezogen 2022 nur 26,1% der Männer Elterngeld und im Schnitt war die männliche Elternzeit mit 3,6 Monaten 11 Monate kürzer als bei den Frauen. Von Gleichberechtigung sind wir also noch weit entfernt. Ein ähnliches Missverhältnis haben wir bei der Teilzeit und zwar in der gesamten Europäischen Union. Deutschland ist besonders auffällig. Fast die Hälfte aller berufstätigen Frauen sind in Teilzeit beschäftigt.
Hybrides Arbeiten und eine Vier-Tage-Woche könnten hierbei ebenfalls helfen. Wenn sich die Arbeitszeit auf weniger Tage verteilt und flexibel einteilen lässt, gibt es mehr Quality Time für beide Elternteile. So werden Jobs für Frauen attraktiver, was nebenbei auch die Diversität in den Unternehmen verbessert.