Die UEFA mit ihrer hartnäckigen Ablehnung von Regenbogenfarben und die CDU mit ihrem frisch präsentierten Programm für die Bundestagswahl 2021 dominieren gerade die Schlagzeilen. Auf den ersten Blick sind es zwei sehr unterschiedliche Themen, aber sie haben eins gemeinsam. In beiden Fällen schlägt der Streisand-Effekt gnadenlos zu. Aufmerksamkeit erhält das, was unterdrückt wird oder nicht gesagt wird.
Der Streisand-Effekt entsteht, „wenn der Versuch, eine unliebsame Information zu unterdrücken, das Gegenteil erreicht, indem das ungeschickte Vorgehen eine öffentliche Aufmerksamkeit erzeugt, die das Interesse an der Verbreitung der Information deutlich steigert“ (so die Definition der Wikipedia). Im namensgebenden Fall ging es um ein bisher unbekanntes Foto in einer riesigen Datenbank. Auch in diesem Blog habe ich schon mal ein Beispiel behandelt. Nun sorgen das Verbot einer Protestaktion und ein schlechtes, scheinheiliges Wahlprogramm für Unruhe.
Die UEFA und der Regenbogen
Im Rahmen der Fußball-Europameisterschaft kommt es zum Gruppenspiel zwischen Deutschland und Ungarn. In Ungarn hat der Diktator Viktor Orbán gerade mit einem neuen Gesetz gezeigt, was er von allgemeinen Menschenrechten hält, nämlich gar nichts. Im konkreten Fall bekämpft er Menschen aus der Gruppe, die mit LGBT oder noch umfangreicheren Abkürzungen zusammengefasst wird. Menschen, die nicht dem heterosexuellen Standard entsprechen, aber trotzdem in der aufgeklärten Welt des 21. Jahrhunderts als normale Menschen anerkannt werden sollten.
Groß sind deshalb die Wut und der Protest angesichts dieser menschenverachtenden Politik. So groß, dass im Rahmen des Fußballspiels eine Aktion geplant war. Das Münchener Stadion, in dem das Spiel stattfindet, sollte in Regenbogenfarben beleuchtet werden. Wie das aussieht, zeigt das Foto oben. Aber es ist kein aktuelles Foto. Denn die UEFA verbot als EM-Veranstalter die Aktion.
Dieser korrupte Verband behauptete, dass er politisch und religiös neutral sei und den Protest gegen Ungarn nicht dulden könne. Selten wurde so deutlich, wie scheinheilig diese Organisation ist. Schließlich haben alle Beteiligten und Beobachter verstanden, worum es der UEFA wirklich geht. Kuscheln mit Diktatoren, wie es auch die FIFA und das IOC regelmäßig praktizieren, ist für sie okay. Nicht-heterosexuelle Menschen anzuerkennen, ist für sie eine Sünde. Willkommen im tiefsten Mittelalter! In einem Turnier, das sportlich viele Eigentore produziert, schießt die UEFA das größte Eigentor.
Das ist schon eine wirklich schlimme Feststellung. Noch schlimmer wird es dadurch, dass die UEFA offensichtlich glaubt, den Protest gegen Ungarn mit diesem lächerlichen Regenbogen-Verbot unterdrücken zu können. Da ist der nämlich, der Streisand-Effekt. Denn durch das Verbot in München gab es nicht nur heftige Kritik von allen Seiten (außer von Orbáns Freunden). Die Entscheidung führte dazu, dass nun überall viel mehr Regenbogen erstrahlen. An anderen Stadien, bei weiteren Gebäuden, auf Social-Media-Profilen – überall wird es gerade bunt.
Was nicht im CDU-Wahlprogramm steht
Ein ganz anderes Thema, das aber letztlich ähnliche Konsequenzen hat, ist das Wahlprogramm, das die CDU/CSU gerade für die Bundestagswahl im September vorgestellt hat. 140 Seiten umfasst das Dokument, aber keinen brauchbaren Inhalt. Die Aussagen der Unionspolitiker erwecken den Eindruck, dass alles besser wird. Möchtegern-Kanzler Laschet redet von einem „Modernisierungsjahrzehnt“. Das ist in mehrfacher Hinsicht lächerlich.
Wer hat in den letzten Jahrzehnten (abgesehen von der rot-grünen Legislaturperiode mit Schröder) denn in Deutschland regiert? Ach ja, das war die CDU, die Partei, die jetzt von lauter Themen redet, die sie seit Jahren ignoriert hat. Die Modernisierung, von der die CDU redet, wäre nur eine Reparatur dessen, was sie in der Merkel-Ära bewusst nicht oder schlecht bearbeitet hat.
Noch schlimmer für die Konservativen ist jedoch, dass die Medien und alle Kommentatoren nun vor allem über das berichten, was nicht oder unzureichend im Wahlprogramm behandelt wird. Zum zentralen Zukunftsthema Klimawandel hat die Partei keine ambitionierten Ideen, keine konkreten Pläne. Auch bei den weiteren wichtigen Themen Bildung und Digitalisierung bleiben die Ewiggestrigen ganz schwach.
Dass die CDU digital nichts kann, zeigt anschaulich die Website cdu-programm.de. Dort findet man nämlich nicht das 140-Seiten-Dokument oder eine Zusammenfassung davon, sondern eine schonungslose Kritik an diesem Wahlprogramm. Erstellt wurde die Seite von den modern denkenden jungen Menschen von Fridays for Future. Besser kann man kaum demonstrieren, wie leeres politisches Gelaber dazu führt, dass politisches Versagen besprochen wird. Streisand-Effekt!