Jugend ernst nehmen statt mit einer Dienstpflicht nerven

Mit seiner Forderung nach einem Pflichtdienst hat der Bundespräsident in den vergangenen Tagen die Jugend, viele Politiker und andere Menschen gegen sich aufgebraucht. Dabei ist die Steinmeiers schlechte Idee nur ein Symptom und nicht der Kern der Problematik. Denn einem großen Teil der Jugend von heute kann man sicherlich kein fehlendes Engagement vorwerfen. Ihnen fehlen vielmehr die passenden Bedingungen und dafür sind die Alten verantwortlich. Es geht u.a. um drei der großen Themen der Gegenwart.

Die Jugend von heute sollte bessere Bedingungen statt eines Pflichtdiensts bekommen.

Das völlig falsche Signal – immer noch

Warum die Forderung nach einem Pflichtdienst in der heutigen Zeit das völlig falsche Signal ist, brauche ich an dieser Stelle nicht umfangreich zu erklären. Das hat nämlich der Digital-Kolumnist Sascha Lobo gerade schon sehr gut zusammengefasst.

Eine solche Pflichtveranstaltung wäre auch nicht mit dem Zivildienst vergleichbar, den es in Deutschland bis 2011 gab. Denn dieser stammt aus einer Zeit, in der die Arbeitswelt, die digitale Welt und weitere Dinge noch anders aussahen. 2018 gab es übrigens schon mal einen ähnlichen Vorschlag wie jetzt. Der kam aus der konservativen CDU, der einzigen Partei, die jetzt Steinmeiers Idee zustimmte. Ich habe das damals schon mal mit anderem Schwerpunkt kommentiert.

Viel wichtiger wäre es, die Jugend endlich ernstzunehmen und etwas für sie zu tun, statt immer mehr von ihr zu verlangen.

Moderne, digitalisierte Bildung ermöglichen

Wie sehr wir in Deutschland von einer modernen, digitalisierten Bildung entfernt sind, zeigen uns die alten Politiker immer wieder. Vor allem, wenn sie entweder gar nichts tun oder völlig weltfremd handeln. Ich habe in diesem Blog schon einiges zu Bildung und Digitalisierung geschrieben.

Dazu noch zwei aktuelle Beispiele: Vor wenigen Tagen haben Bundestag und Bundesrat ein Recht auf das beschlossen, was sie für schnelles Internet halten. Doch über den Wert von 10 Mbit/s können alle Menschen, die sich in der digitalen Welt bewegen, nur verzweifelt lachen. Gestern war dann in einer Talkshow zu erleben, wie die Bundesministerin für Bildung und Forschung darüber redet, dass man nun mal die Schulen digitalisieren wolle. Diese vage Idee verkündet sie ernsthaft erst jetzt nach mehr als zwei Jahren Corona-Ausnahmezustand. Ach ja, die Schulen sollen zukünftig möglichst nicht mehr coronabedingt schließen müssen. Falls sich die Politiker irgendwann mal dazu entschließen, die jungen Menschen irgendwie wichtig zu finden.

Der Jugend viele Stimmen geben

Ein großes Problem ist die durchschnittlich überalterte Gesellschaft in Deutschland. Unsere Bevölkerung ist mit einem Altersschnitt von knapp 45 Jahren eine der ältesten Gesellschaften der Welt. Diese Erkenntnis lässt sich auch auf den Bundestag übertragen. Dort liegt das Durchschnittsalter der derzeitigen Abgeordneten mit 47,3 Jahren noch höher. Die CDU-Fraktion, die 16 Jahren lang bis zur Wahl im vergangenen Jahr die Regierung stellte, ist derzeit im Schnitt sogar mehr als 49 Jahre alt. Zum Vergleich: In Finnland regiert eine 36-jährige Ministerpräsidentin. Die fehlende Modernisierung unseres Landes in den letzten Jahrzehnten lässt sich also damit begründen, dass alte und konservative Menschen über Bedingungen entschieden haben, mit denen die jungen Menschen zurechtkommen müssen.

Hilfreich wäre nicht nur eine Verjüngung der politischen Gremien. Auch eine allgemeine Senkung des aktiven Wahlrechts auf 16 Jahre, das es bisher nur auf kommunaler Ebene gibt, wäre ein wertvoller Schritt. Wer blockiert diese Änderung? Ach ja, die alte CDU, die bei mehr jungen Wählen einen geringeren Stimmenanteil hätte.

Engagement der Jugend ernst nehmen

Wie eingangs angedeutet, gibt es heutzutage sehr viele engagierte Jugendliche. Das derzeit prominenteste Beispiel ist die Klimaschutzbewegung Fridays for Future. Unermüdlich kämpfen deren Mitglieder für wirksame Maßnahmen gegen den Klimawandel. Doch auch bei diesem Thema, dem dritten großen Thema der Gegenwart, werden die jungen Menschen von den konservativen Alten weitestgehend ignoriert und ausgebremst. Das als Tankrabatt getarnte Geschenk für die Mineralölkonzerne ist da nur das neuste Beispiel.

Dabei hat im vergangenen Jahr ja sogar das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass mangelnder Klimaschutz gegen die Generationengerechtigkeit und die Freiheitsrechte der jungen Menschen verstößt. Wenn also selbst das höchste deutsche Gericht den schlechten Umgang mit der Jugend bemängelt, kann man das Versagen nicht länger ignorieren.

Dabei sind die komplexen Themen Bildung, Digitalisierung und Klimawandel natürlich nicht die einzigen Problemfelder. Auch über den Einfluss der finanziellen Verhältnisse der Eltern, zu wenige Kita-Plätze, die schlechte Ausstattung von Kinder- und Jugendheimen, fehlende Trainer für den sportlichen Nachwuchs und andere Beispiele könnte ich noch einiges schreiben.

Stattdessen beende ich diesen Appell mit einem Zitat des alten Römers Cicero: „Nicht das Alter ist das Problem, sondern unsere Einstellung dazu.“