Am 26. Mai findet die Europawahl in Deutschland statt. Dann werden die deutschen Abgeordneten für das Europäische Parlament neu gewählt. Viele Menschen interessieren sich nicht so sehr für diese Wahl, weil sie die Europäische Union uninteressant, unbedeutend oder unmöglich finden. Auch ich habe schon mal über das Bürokratiemonster EU geschimpft. Doch gerade die jüngere Vergangenheit hat deutlich gezeigt, wie wichtig es ist, sich für Europa zu interessieren und zu erkennen, dass die EU ziemlich viel Einfluss auf unser Leben hat. Deshalb möchte ich mich bis zur Europawahl in einigen Beiträgen damit beschäftigen. Wir beginnen mal mit zwölf Gründen, warum die Europäische Union wichtig ist.
- Eine hohe Wahlbeteiligung erhöht die Legitimation des Europäischen Parlaments. Alle Wahlberechtigten, die sich an der Wahl beteiligen, beeinflussen die Zusammensetzung des Parlaments. Wir können alle gemeinsam beeinflussen, ob die zukünftige EU-Politik sozial, konservativ, liberal, radikal oder was auch immer ist. Das Europäische Parlament ist weltweit die einzige über einzelne Nationen hinausgehende politische Einrichtung, deren Mitglieder direkt gewählt werden. Da sollte die Wahlbeteiligung höher sein, als es zuletzt mit Werten von 40% bis 50% zu erleben war.
- Immer mehr rechtspopulistische und rechtsextreme Parteien treten in europäischen Ländern auf und werden einflussreicher. Dazu gehören u.a. die AfD in Deutschland, die FPÖ in Österreich, Lega Nord in Italien, Rassemblement National in Frankreich, Fidesz in Ungarn und Prawo i Sprawiedliwość in Polen. Im Europäischen Parlament darf es aber keinen Platz für Nazis, Rassisten und andere Extremisten geben. Je höher die Wahlbeteiligung ist, desto leichter verhindern wir diese Einflüsse.
- Innerhalb der Europäischen Union, genauer gesagt im Schengen-Raum, haben wir offene Grenzen. Wir können ohne lästigen Kontrollen mal eben in unsere Nachbarländer fahren, egal ob zum Urlaub, zur Arbeit, zum Einkaufen oder sonst etwas. Wenn wir den ewigen Streit um den Brexit und die darin enthaltene Diskussion um die Backstop-Lösung verfolgen, spüren wir deutlich, wie wichtig die Frage nach offenen Grenzen ist.
- Der Euro, unsere gemeinsame Währung, wurde vor allem in der Anfangszeit nach der Einführung als „Teuro“ verteufelt. Dennoch merken wir, wie angenehm es ist, nicht bei jedem Grenzübertritt Geld wechseln zu müssen. Wir können beispielsweise mal eben von Deutschland in die Niederlande oder nach Frankreich fahren, ohne D-Mark in Gulden oder Franc tauschen zu müssen.
- Viele Gesetze haben heutzutage ihren Ursprung in den EU-Institutionen. Verordnungen und Richtlinien, die die EU beschließt, müssen in nationales Recht übernommen werden. Ein Beispiel ist die zuletzt heftig umstrittene Urheberrechtsreform.
- Viele Entscheidungen der EU haben direkten Einfluss auf das Alltagsleben. Beispielsweise können wir seit der Abschaffung der Roaming-Gebühren unsere Smartphones im Urlaub günstiger nutzen.
- Ausschreibungen für Bauprojekte, öffentlichen Nahverkehr und einiges mehr müssen meistens EU-weit erfolgen, unabhängig davon, wie die Situation vor Ort aussieht.
- Andererseits gibt es für zahlreiche Projekte Fördermittel der Europäischen Union. Da geht es um Infrastruktur ebenso wie um Forschung und Kultur. Einige Zahlungen sind zwar umstritten, doch insgesamt kommt so einiges an Geld zusammen.
- Durch das Erasmus-Programm profitieren Studierende, weil Auslandsaufenthalte erleichtert werden und die internationale Zusammenarbeit der Hochschulen vereinfacht wird.
- Im globalen Wettbewerb wird immer deutlicher, dass die einzelnen Nationalstaaten zu schwach sind. Wenn Trump in den USA wieder eine verrückte Idee hat oder China seine diktatorisch geprägte Macht zeigt, muss die EU gemeinsam dagegenhalten.
- Die Europäische Union ist eine wirtschaftliche Macht. Denn die EU-Staaten haben zusammen das zweitgrößte Bruttoinlandsprodukt und sind der größte Güterproduzent der Welt. Die Bedeutung zeigt sich auch darin, dass die EU auf große Konzerne wie Facebook und Google Druck ausübt.
- Demonstrationen werden einflussreicher, wenn sie über nationale Grenzen hinausgehen. Aus Greta Thunbergs Schulstreik wurde die große Bewegung Fridays for Future für den Klimaschutz. Die Proteste gegen die EU-Urheberrechtsreform setzten die Politiker unter Druck. Gelbe Westen wurden auch außerhalb Frankreichs getragen.
Diese Liste erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Aber wir haben auf jeden Fall genug Gründe, um am 26. Mai bei der Europawahl wählen zu gehen.