Heute ist wieder der wichtigste Tag zum Gedenken in Düren. Denn am 16. November 1944, vor genau 80 Jahren, wurde das Zentrum meiner Heimatstadt durch alliierte Luftangriffe völlig zerstört. Aus einer sehenswerten und ziemlich wohlhabenden Stadt wurde eine Landschaft voller Ruinen. Gleichzeitig erreichen wir beim russischen Krieg in der Ukraine in Kürze die traurige Marke von 1.000 Tagen und auch im Nahen Osten und anderen Teilen der Welt gibt es weiterhin kriegerische Auseinandersetzungen. Ausgerechnet in dieser Zeit streben immer mehr Rechtsextreme an die Macht. Haben wir immer noch nichts gelernt?
Die Zerstörung in Düren
Düren lag im Zweiten Weltkrieg an der Westfront. Die Alliierten rückten auf ihrem Weg aus der Normandie ins Deutsche Reich vor und kamen über den Hürtgenwald an die Rur. Am Nachmittag des 16. November 1944 fielen dann innerhalb von rund 20 Minuten gut 2750 Tonnen an Bomben auf die Stadt und vernichteten nicht nur 99% der Gebäude, sondern auch mehr als 3.000 Menschenleben. Es war genau eine Woche nach dem Jahrestag der Reichspogromnacht vom 9. November 1938. Zu den damaligen Ereignissen und den heute noch sichtbaren Spuren in Düren habe ich vor sechs Jahren schon einen Beitrag geschrieben:
Wenn man in einer Stadt lebt, die so eine Zerstörung erlebt hat, sind die Bilder von damals ständig präsent. Das gilt natürlich vor allem für die Zeitzeugen von damals, die bis heute davon erzählen. Auch wenn ich es glücklicherweise nicht persönlich miterleben musste, kann ich als geschichtlich interessierter Menschen diese Ereignisse nicht ignorieren. Schließlich sehe ich nicht nur die Bilder der Zerstörung, sondern auch, wie Düren vorher aussah und wie es heute aussieht. Aus der zentralen Annakirche mit einem eindrucksvollen Turm wurde beispielsweise ein eckiger Kasten und das Rathaus ist ein schlichtes Verwaltungsgebäude mit 50er-Jahre-Architektur.
Lokale Erinnerung und globale Konflikte
Das Gedenken in Düren trifft fast auf den Tag genau mit einer anderen traurigen Zahl zusammen: Knapp 1.000 Tage dauert nun schon der Krieg in der Ukraine, den Putin am 24. Februar 2022 begann, und ein Ende ist noch nicht in Sicht. Auch für den neusten Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern im Nahen Osten, der vor gut einem Monat seinen ersten Jahrestag hatte, gibt es bisher keine Lösung.
Dort und in anderen Kriegsgebieten weltweit sieht man immer wieder ähnliche Bilder. Zerstörte Häuser, zerstörte Infrastruktur und vor allem leidende oder tote Menschen. Mit der Erinnerung an die Geschichte der eigenen Stadt kann man umso mehr nachvollziehen, wie schlimm die Situation in den Konflikten der Gegenwart ist.
Aufstieg der Rechtsextremen: Nichts gelernt?
Während ich die Zusammenhänge und Parallelen in der älteren und neueren Geschichte sehe, hat sich noch immer nicht überall die Einsicht durchgesetzt, wofür diese beiden Wörter stehen: Nie wieder. Ganz im Gegenteil. Putin kann weiterhin seine Allmachtsfantasien ausleben, während der Westen immer wieder zögert. 1000 Tage Krieg haben noch nicht gereicht, um etwas daraus zu lernen. In den USA wurde letzte Woche ein Mann erneut zum Präsidenten gewählt, der schon mal auf brutale Weise bewiesen hat, dass er nicht viel von demokratischen Grundprinzipien hält.
Aber wir müssen ja gar nicht so weit nach Westen oder Osten blicken, um Menschen zu finden, die sich vom Bestreben nach „Nie wieder“ nicht aufhalten lassen und eher die düsteren Seiten der Geschichte wiederholen wollen, statt daraus für eine bessere, friedlichere Welt zu lernen. In den Tagen nach dem Zusammenbruch der Ampel-Regierung steht die offen rechtsextreme AfD laut aktuellen Umfragen davor, ihren Anteil mit derzeit 18% bis 19% im Vergleich zur letzten Bundestagswahl zu verdoppeln. Die Partei von Putins Sprecherin in Deutschland (BSW) ist nach derzeitigem Stand ziemlich sicher über der Fünf-Prozent-Hürde. An der Spitze der Umfragen steht die Union, deren Vorsitzende Merz und Söder auch eher für aggressive Parolen statt für sachliche Problemlösung und Kompromisse stehen.
Nehmt das „Nie wieder“ endlich ernst!
Wenn wir in einer Welt leben wollen, in der sich Zerstörung, Hass und großes Leid, wie wir es von Düren 1944 oder den gegenwärtigen Kriegen kennen, nicht ständig wiederholen, müssen wir uns ernsthaft für Frieden, Gerechtigkeit und echte Demokratie einsetzen.
- Wir brauchen eine Politik und Gesellschaft, die allen Menschen und nicht nur den Reichen und Mächtigen hilft.
- Fossile Energien als beliebten Kriegsgrund können wir überwinden, indem wir unsere Gesellschaft konsequent modernisieren.
- Alte religiös motivierte Streitereien und auch Hass auf der Straße und im Internet sollten wir durch offenen Dialog, zuverlässige Informationen und gegenseitiges Interesse ersetzen.
- Wir sollten nicht nur in der Schule, sondern lebenslang etwas über Geschichte und gesellschaftliche Zusammenhänge lernen.
Wenn wir das „Nie wieder“ ernst nehmen, können wir eine Wiederholung des 16. November 1944 und ähnlicher Ereignisse in Zukunft verhindern.