Das Deutschlandticket hat vielen Menschen ermöglicht, halbwegs günstig für 49 Euro im ganzen Land Bus und Bahn zu nutzen. Mit dem Abo-Modell war es einfach zu handhaben. Heute haben die Verkehrsminister dieses Ticket jedoch mit der Preiserhöhung auf 58 Euro so unattraktiv gemacht, dass es scheitern wird. Dabei ignorieren sie nicht nur die Umfragen zur Schmerzgrenze, sondern auch einfachste Mathematik. Vor allem zeigen sie jedoch, dass im Land der von Volker Wissing (FDP) angeführten Auto-Lobbyisten kein Interesse an einer echten Verkehrswende existiert.
Massive Preiserhöhung beim Deutschlandticket …
Schon lange war der Preis des Deutschlandtickets in der Diskussion. Eine Preiserhöhung sei nötig, um die Einnahmeverluste der Verkehrsunternehmen und die finanziellen Zuschüsse aus der Staatskasse zu begrenzen. 58 Euro als neuer Preis ab 2025 sind bei der Besprechung der Verkehrsminister heute herausgekommen. Spontane Kommentare im Internet weisen schon darauf hin, dass man sich die neue Zahl leicht merken kann, weil einfach die bisherigen Preise für eine deutschlandweit gültige Nahverkehrskarte zusammengelegt wurden. Die bisherigen 49 Euro plus das ursprüngliche 9-Euro-Ticket, schon haben wir die 58 Euro.
Ich weiß nicht, wie die Politiker den neuen Preis festgelegt haben. Sinnvoll kalkuliert haben sie jedenfalls nicht oder die einfachste Mathematik ignoriert. Rechnen wir es mal kurz durch. Bisher sorgen 100 Deutschlandticket-Inhaber für Einnahmen in Höhe von 4.900 € (Vergünstigungen für bestimmte Personengruppe mal nicht berücksichtigt). Beim neuen Preis brauchen wir mindestens 85 Ticketkäufer, um auf diese Summe zu kommen (85 * 58 € = 4.930 €). Durch die Preiserhöhung dürfen also maximal 15% der bisherigen Kunden abgeschreckt werden, um die bisherigen Einnahmen überhaupt zu erhalten. Für steigende Einnahmen muss man also fast alle Kunden erhalten oder neue gewinnen.
… gegen die Schmerzgrenze
Was die Politiker dabei völlig ignorieren, ist die Umfrage, die in den vergangenen Tagen kurz vor der Konferenz erschienen ist. Demnach kündigten 30% der Befragten an, dass der bisherige Preis von 49 Euro bereits die Schmerzgrenze sei und sie nicht mehr bezahlen würden. Ein weiteres Sechstel der Befragten hält mehr als 54 Euro für zu viel. In der Addition sind für 46% der Befragten die jetzt beschlossenen 58 Euro also ein zu hoher Preis. Das sind dreimal so viele Nicht-Mehr-Kunden, wie die Verkehrsverbünde nach der gezeigten Rechnung verlieren dürfte, um wenigstens die bisherigen Einnahmen zu halten.
Zumindest die Tendenz ist also klar: Die jetzt feststehende Preiserhöhung wirkt massiv abschreckend auf die (möglichen) Bahnfahrer. Übrigens auch auf mich. Mein Deutschlandticket, das ich gemessen am Preis sowieso zu wenig genutzt habe, habe ich nach den heutigen Nachrichten mit Wirkung zum 31.10. gekündigt.
Für die Autoindustrie ist Geld da
Wo für den Auto-Lobbyisten Volker Wissing und seine Kollegen die wirklichen Prioritäten im Verkehr liegen, zeigt eine weitere Meldung, die aktuell für Unruhe sorgt. Da die deutsche Autoindustrie es nicht schafft oder nicht schaffen will, konsequent auf Elektromobilität umzustellen, schlägt die SPD vor, den Käufern von Elektroautos 6.000 € pro Auto zu schenken und vermarktet das als neue Abwrackprämie. Mal kurz gerechnet: 6.000 € als Geschenk fürs Auto, damit könnte man 122 Deutschlandtickets zum bisherigen Preis von 49 € finanzieren. Die FDP lehnt die neue Abwrackprämie scheinheilig ab, um nochmal über die sogenannten Flottengrenzwerte der EU zu diskutieren. Einfacher ausgedrückt: Lieber weiter Verbrenner ermöglichen, statt Geld für Elektromobilität oder Bahnfahren auszugeben.
Keine Verkehrswende in Deutschland
Andere Länder machen es längst vor, wie man den ÖPNV, Radfahrer und Elektromobilität fördert und Städte lebenswerter gestaltet. Deutschland entwickelt sich mit der derzeitigen Politik immer weiter zurück und behindert sowohl die Verkehrswende als auch dringend notwendige Maßnahmen für besseren Klimaschutz.
Eine Zusammenfassung zum gesamten Thema Verkehr habe ich zuletzt im April hier geschrieben: