Rund um Weihnachten ist wieder die Zeit der Jahresrückblicke. In verschiedenen Formaten wird wiederholt, worüber die Medien in den vergangenen Monaten sowieso schon ausführlich berichtet haben. Viel wichtiger wäre jedoch, mal Geschichten zu zeigen, die es nicht ständig in die Topnews geschafft haben. Denn es gibt auch genug andere Themen, die wir nicht vergessen dürfen. Ein Blick auf das, was es nicht zu Aufmerksamkeit und Nachrichtenwert schafft.
Das Problem der begrenzten Aufmerksamkeit
Wenn wir uns in einer Gruppe, zum Beispiel bei einer Party, mit jemandem unterhalten, bekommen wir nicht mit, worüber andere Menschen im Raum reden. Das Gehirn konzentriert sich uns auf unser Gespräch und blendet den Rest so gut wie möglich aus. Forscher bezeichnen das als Cocktailparty-Effekt. Es gibt viele weitere psychologische Studien zur begrenzten Kapazität unserer Wahrnehmung. Glauben Sie, dass sie einen Menschen im Gorilla-Kostüm, der sich auffällig zwischen Sportlern bewegt, auf jeden Fall erkennen? Ein berühmtes Experiment zur Unaufmerksamkeitsblindheit beantwortet diese Frage mit Nein. Auch die Veränderungsblindheit entsteht dadurch, dass wir nicht alles auf einmal wahrnehmen können.
Menschen, die sich beruflich mit Nachrichten beschäftigen, kennen das Thema von begrenztem Platz ebenfalls. Auf ein paar Zeitungsseiten oder eine Nachrichtensendung im Fernsehen oder Radio passen nun mal nicht alle Ereignisse und Themen eines Tages, weshalb ausgewählt werden muss. Wie schwierig es ist, Aufmerksamkeit zu bekommen, habe ich vor kurzem in meinem anderen Blog beschrieben:
Was zwischen den Krisen vergessen wird
Im zu Ende gehenden Jahr 2022 kämpften mehrere große Konflikte, Krisen und Probleme um Aufmerksamkeit und Nachrichtenwert. Corona wurde aus den Schlagzeilen verdrängt, als Putins Truppen in der Ukraine einmarschierten, was neben vielen Flüchtlingen eine Energiekrise brachte. Dann gingen auch noch die Frauen im Iran auf die Straße. Die Queen ist gestorben, die USA haben gewählt und in Katar gab es Fußball als Wintersport. All das habt ihr mehr oder weniger umfangreich mitbekommen.
Aber könntet ihr auch spontan sagen, wie beispielsweise die Lage bei dem komplexen Konflikt im Jemen aussieht? Da findet man Informationen eher nicht in den aktuellen Medien, sondern in Bildungsvideos bei Youtube. Hat sich in der Pflege etwas verbessert? Wir erfahren wenig bis nichts dazu, weil der ausführlichste Beitrag dazu nicht aus den News-Medien, sondern von den Entertainern Joko und Klaas kam und das ist nicht selbstverständlich. Apropos Gesundheit, da wird es noch schlimmer. Wir reden darüber, wie schlecht die Krankenversicherung in den USA ist, ignorieren aber, dass auch in Deutschland viele Menschen nicht versichert sind. Andere Themen tauchen nur mal kurz an der Oberfläche der Aufmerksamkeit auf, werden aber schnell wieder vergessen, wie zum Beispiel der Missbrauch im Sport.
Die Klassiker der ignorierten Themen und falsche Schwerpunkte
Zu vergessenen Themen gehören auch einige Klassiker, die seit langem wichtig sind, aber immer noch zu sehr verdrängt werden. Das sind zum Beispiel die großen Themen Bildung und Digitalisierung, über die ich hier regelmäßig schreibe. In Deutschland sind die Schulen nicht nur in ihrer Bausubstanz seit langem marode, aber viele Medien berichten lieber über irgendwelche C-Promis als über die Bedingungen der Kinder. Bei den mangelnden Fortschritten in der Digitalisierung sind die Medienschaffenden vor allem aus den klassischen Medien selbst betroffen. Aber wo bleibt der Aufschrei?
Manchmal werden bei den richtigen Themen auch einfach die falschen Schwerpunkte gesetzt. Die Medien geben den konservativen Leuten, die sich über die Proteste der „Letzten Generation“ oder in Lützerath aufregen und die Aktivisten so brutal wie möglich bestrafen wollen, viel Aufmerksamkeit. Sie vergessen dabei, dass die wahren Schuldigen beim mangelhaften Klimaschutz die Politiker sind, wie sogar das Bundesverfassungsgericht festgestellt hat. Warum wird mehr über Gasterminals als über fehlende Windräder und PV-Anlagen berichtet? Warum wird die neuste Artenschutzkonferenz nur mal kurz erwähnt?
Auch gute Nachrichten zu oft vergessen
Ein altes Motto lautet: „Only bad news are good news“. Echte und konstruierte Krisen und Skandale bekommen mehr Aufmerksamkeit. Dazu tragen auch die Algorithmen von Social-Media-Plattformen bei, die umstrittene Themen höher bewerten. Vergessen und verdrängt werden dabei die „good news“, die guten Nachrichten.
Trotzdem gibt es gute Schulen, die Vorbilder sein können. Wenn wir in andere Länder blicken, können wir sehen, wie viel besser Digitalisierung (Beispiel Estland) und ÖPNV funktionieren können. Nicht nur in Costa Rica gibt es gute Projekte zum Klima- und Naturschutz. Zahlreiche Menschen leisten hervorragende Arbeit in Hilfsorganisationen oder engagieren sich ehrenamtlich.
Wir müssen uns viel mehr an solchen Vorbildern und guten Nachrichten orientieren. Es gibt Projekte, die sich darauf spezialisiert haben, zum Beispiel das Magazin Goodnews. Wir brauchen mehr davon.