Nach Olympia: Was bleibt? Erkenntnisse aus Paris 2024

Die vergangenen beiden Wochen waren voll mit Olympia. Auch ich habe die Olympischen Spiele 2024 in Paris natürlich intensiv verfolgt. Aber was bleibt jetzt von diesen Eindrücken? Welche Erkenntnisse können wir aus den zwei Wochen Sport mitnehmen? Darum geht es in meiner folgenden Bilanz und Analyse.

Was bleibt nach Olympia? Geht die Begeisterung für viele Sportarten nach Paris 2024 weiter oder erlischt sie wie das olympische Feuer?

1) Es lebe der Stream!

Ich habe während der Olympia-Tage jeden Tag mindestens ein Spiel oder einen Wettkampf live verfolgt, aber dabei keine Minute lang ARD oder ZDF eingeschaltet. Denn zum Glück wurden die Wettbewerbe auch im Stream bei Discovery+ (dem Unternehmen, zu dem Eurosport gehört).

Das Erlebnis im Stream ist einfach viel besser. Es gibt bessere, kompetentere Kommentatoren. Im Stream kann ich außerdem zum Beispiel ein Volleyball- oder Beachvolleyballspiel von Anfang bis Ende verfolgen. Ich muss nicht ertragen, dass das Fernsehen wie bei ARD/ZDF wild zwischen den Sportarten hin und her schaltet, mittendrin Interviews im Studio macht oder spannende Wettkämpfe plötzlich für Werbung oder Nachrichten unterbricht.

Diese Erkenntnis ist mir natürlich nicht erst bei den Olympischen Spielen gekommen. Schließlich gibt es auch im sportlichen Alltag dank Plattformen wie Spontent moderne Livestreams, die viel besser sind als Sport im linearen Fernsehen. Dazu habe ich schon mal was geschrieben.

2) Nah dran an den Sportlern und Sportarten

Apropos Spontent. Das Team des modernen Online-Sportkanals durfte dank der Kooperation mit einer bekannten Versicherung intensiv über Olympia 2024 berichten. Es ging schon vor der Eröffnung los mit einer Video-Reihe auf dem Youtube-Kanal. In den Videos konnten die Hosts nicht nur mit Sportlern aus verschiedenen Sportarten ausführlich reden, sondern die Disziplinen auch selbst ausprobieren.

Während der gut zwei Wochen in Paris durften sie dann live aus dem Deutschen Haus streamen. Hier blieben sie bei ihrer Strategie. Sie setzten auf ausführliche Gespräche mit den verschiedenen Sportlern und anderen Beteiligten. Nah dran an den Menschen und Sportarten. Durch die engen Verbindungen, die sie in den Jahren zuvor durch ihre Aktivitäten aufgebaut haben, wurden es viel interessantere und offenere Gespräche als die sonst üblichen Zwei-Minuten-Interviews. Manche Gespräche entstanden durch das Setting im Deutschen Haus ganz spontan: Jemand kommt vorbei, setzt sich hin und redet.

3) Auch ein fünfter Platz kann eine tolle Story sein

Zum Thema Medaillenspiegel komme ich gleich noch in anderem Zusammenhang. Bleiben wir erstmal beim Thema Geschichten erzählen. Natürlich bekommen die deutschen Olympiasieger (nur die heißen übrigens korrekt Olympioniken) die meiste Aufmerksamkeit in den Medien. Aber auch Olympiateilnehmer ohne Medaille können tolle Storys bieten.

Ein gutes Beispiel sind die deutschen Volleyballer. Wenn man nur oberflächlich auf das Ergebnis kuckt (Aus im Viertelfinale gegen Frankreich nach 2:0-Satzführung), könnte man auf die Idee kommen, über eine verpasste Medaillenchance oder eine ärgerliche Niederlage zu reden. Damit ignoriert man aber die ganze Vorgeschichte und den Weg nach Paris.

Die DVV-Männer waren zuvor 2012 in London das letzte Mal dabei, qualifizierten sich für die Spiele 2016 und 2020/21 erst gar nicht. Auch diesmal erschien das kaum machbar. Schließlich war da beim Qualifikationsturnier im Herbst 2023 starke Konkurrenz vertreten. Doch die Jungs gewannen das Turnier ungeschlagen. In der Vorrunden-Gruppe in Paris besiegten sie dann die in der Weltrangliste hoch eingeordneten Japaner und gegen Argentinien, lieferten gegen den späteren Bronzemedaillen-Gewinner USA einen großen Kampf. Ja und dann brachte sie eben auch den Gastgeber und neuen Olympiasieger Frankreich ganz nah an eine Niederlage. Das alles mit einem Team um einen herausragenden Angreifer Georg Grozer, der im November 40 Jahre alt, aber nicht müde wird. Mit einem Team, das viel Zusammenhalt und Leidenschaft ausstrahlt. Man muss die Geschichten einfach nur richtig und vollständig erzählen.

4) Wenn deutsche Beachvolleyball-Turniere besser präsentiert werden als Olympia

Sport wird erst richtig interessant, wenn man die Emotionen intensiv spürt. Das war beim Betrachten der Spiele von Paris nur eingeschränkt möglich. Nehmen wir mal das Beachvolleyball-Turnier als Beispiel. Das war natürlich eine eindrucksvolle Kulisse mit dem großen Stadion direkt vor dem Eiffelturm, vor allem bei der Nightsession. Da hat jeder, der vor Ort war, mindestens ein Foto oder Video auf Social Media gepostet. Aber eben dieses Bild war zugleich Teil des Problems.

Denn die Regie, die das Weltbild für die TV-Sender und Streams geliefert hat, war sehr verliebt in den Eiffelturm. Ständig wurde der Turm gezeigt, oft mit dem weiteren Blick auf die Stadt. Immer wieder flog die Kamera aus der Vogelperspektive ins Stadion hinein, sodass einem beim Zuschauen fast schwindlig werden konnte. Da wäre es für die Zuschauer, die wirklich am Sport interessiert sind, viel besser gewesen, die Kameras näher am Spielfeld zu halten.

Wie das besser geht, ist bei den Übertragungen der German Beach Tour zu sehen. Dort wird zwar auch auf eine frische Mischung aus Sport und Unterhaltung gesetzt. Aber die Kameras sind näher dran am sportlichen Geschehen und bringt die Action und Emotionen besser rüber. Auch bei den Auszeiten war der Unterschied zu erkennen. Da war bei den Streams aus Paris nämlich oft kaum zu verstehen, was die Spieler sagen.

German Beach Tour: kein Eiffelturm, aber näher dran am Sport und mehr Stimmung

5) Zu viel Fokus auf die Promis statt die Sportler

Wenn wir über falsche Schwerpunktsetzung reden, kommen wir nicht an den ganzen Promis vorbei, die ständig im Bild waren. Über Menschen wie Snoop Dogg, die im Publikum saßen, wurde mehr berichtet als über manche Athleten. Das ist ein falscher Fokus. Es zeigt eine Geringschätzung gegenüber den Sportlern, wenn bei Olympia irgendwelche Promis ohne sportliche Leistung im Mittelpunkt stehen.

Das gilt in etwas geringerem Ausmaß auch für ehemalige Sportstars. So war beim eindrucksvollen Auftritt der deutschen Frauen im 3×3-Basketball viel zu viel die Rede davon, dass Dirk Nowitzki das Team anfeuert. Diese tollen Sportlerinnen bieten selbst genug Möglichkeiten, spannende Geschichten zu erzählen (siehe oben).

6) „Die Liebe zum Sport wird immer dann entdeckt, wenn es Medaillen gibt.“

Das Zitat stammt von Tom Liebscher-Lucz. Der Mann ist Kanute und gewann in Paris zum dritten Mal in Folge die Goldmedaille (neben zahlreichen WM- und EM-Titeln). Trotzdem war er nicht ganz zufrieden und äußerte zusammen mit seinem Kollegen Max Rendschmidt deutliche Kritik. Adressat dieser Kritik war Bundeskanzler Olaf Scholz, der während Olympia mehrmals in der französischen Hauptstadt weilte, um PR-Fotos zu machen.

Die beiden Kanuten haben mit ihrer Kritik völlig recht. Da sie selbst sehr erfolgreiche Vertreter einer Randsportart sind, wissen sie, wovon sie reden. Sie tragen viel zum deutschen Platz im Medaillenspiegel bei, aber außerhalb der Olympischen Spiele interessiert sich leider kaum jemand für sie.

Schließlich leben wir immer noch im Fußball-Land Deutschland. Schon während in Paris noch im Medaillen gekämpft hatte, verdrängte der Fußball mit dem Start der zweiten Liga wieder einen Teil der Aufmerksamkeit. In wenigen Tagen, spätestens in ein paar Wochen, werden sich außer den Sportlern und den Hardcore-Fans wieder nur wenige Menschen für all die anderen Sportarten interessieren. Warum das dumm und schädlich ist, habe ich schon in einem Beitrag anlässlich der Fußball-WM 2022 thematisiert.

7) Bessere Förderung des Breitensports statt Bewerbung für Olympia

Zum politischen PR-Gerede bezüglich Sport gehört gerade außerdem die Diskussion um eine Bewerbung Deutschlands für die Olympischen Spiele 2040. Ist das eine gute Idee? Nein, vor allem nicht beim aktuellen Zustand. Es gibt einfach zu viele Probleme. Nicht nur, weil schon zahlreiche deutsche Bewerbungen gescheitert sind.

Da wäre zum Beispiel die deutsche Infrastruktur. Kurz vor Olympia konnten Fußballfans aus ganz Deutschland erleben, wie katastrophal die Deutsche Bahn funktioniert, obwohl sie Haupt-Transportmittel beim Turnier sein sollte. Vor allem wenn über dezentrale Spiele nachgedacht wird, wäre es hilfreich, schnell von A nach B zu kommen. Bei der Bilanz großer deutscher Bauprojekte in den vergangenen Jahren kann man sich zum Beispiel auch fragen, wie lange es wohl dauern würde, ein Olympisches Dorf in Deutschland zu errichten. Die weit verbreitete Abneigung gegen Organisationen wie das IOC brauche ich gar nicht groß zu erklären.

Das größte Problem ist jedoch erneut der falsche Fokus. Über den angeblich schlechten Platz Deutschlands im olympischen Medaillenspiegel zu jammern, ist Volkssport. Aber wer tut etwas, um die Bilanz zu verbessern? Die Bundesregierung redet gerade davon, dass sie mehr Geld für die Spitzensportförderung ausgeben will. Aber dort liegt nicht der Kern des Problems. Der Sport leidet darunter, dass Sporthallen gar nicht oder in schlechtem Zustand verfügbar sind und nicht effizient genutzt werden. Es schadet dem Sport, wenn Kinder und Jugendliche sich nicht genug bewegen und keine oder schlecht ausgebildete Trainer haben. Es ist schlecht für den Sport, wenn viele Sportarten außerhalb von zwei Wochen Olympia nicht präsent sind. Aber damit sind wir wieder am Anfang meiner Bilanz.