Zuletzt gab es mehrere Entwicklungen in Deutschland, die deutlich zeigen, dass die Demokratie gefährdet ist. Man kann es nicht nur an den hohen Umfragewerten der AfD und einem viel diskutierten Geheimtreffen erkennen. Dazu trägt auch der Hass bei, der sich in immer größeren Teilen der Gesellschaft ausbreitet. Ein Blick auf die historischen Parallelen ist hilfreich. Wir müssen all diese Entwicklungen im Zusammenhang betrachten und vor allem müssen wir ihnen etwas entgegensetzen, um die Demokratie zu verteidigen.
Eine Neuauflage der Wannseekonferenz?
Am 20. Januar 1942 fand in einer Berliner Villa eine Besprechung statt, die später als Wannseekonferenz in die Geschichte einging. Besprochen wurde dort die Organisation eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit, nämlich die Deportation aller Juden Europas in die Konzentrationslager. Es war eines der zentralen Treffen im Zusammenhang mit dem Holocaust.
Ungefähr acht Kilometer entfernt von der Wannsee-Villa steht am Lehnitzsee die Villa Adlon. Dort fand am 25. November 2023 ein Geheimtreffen der rechtsextremen, fremdenfeindlichen Szene statt, das sehr an das historische Vorbild erinnert. Eine lesenswerte Reportage des Magazins Correctiv, das darüber berichtete, sorgte Anfang letzter Woche für viel Unruhe. Denn erneut wurde über massenhafte Deportation gesprochen. Die Teilnehmer benutzten dafür das euphemistische R-Wort, das wenige Tage später als Unwort des Jahres verkündet wurde. Aber die Idee dahinter ist klar zu erkennen: Menschen mit Migrationshintergrund und Menschen, die Migranten unterstützen, sollen aus Deutschland nach Ansicht der Rechtsextremen vertrieben werden.
Die Parallelen zur Zeit des Nationalsozialismus beschränken sich nicht nur auf den allgemeinen Plan, unerwünschte Menschen zu deportieren. Beim Potsdamer Treffen sprach ein führender Mann aus der sogenannten Identitären Bewegung auch über einen „Musterstaat“ in Afrika, wo die Deportierten eingesperrt werden sollen. Wer sich schon mal ausführlicher mit der NS-Geschichte beschäftigt hat, fühlt sich an den Madagaskar-Plan der Nazis erinnert. Dieser frühe Plan wurde damals fallengelassen und in der nächsten Eskalationsstufe durch den Massenmord im Holocaust ersetzt.
Nicht nur in der AfD: Wie sich die rechtsextremen Ideen und Hass ausbreiten
Die Correctiv-Recherche und die nachfolgende Berichterstattung zeigen, wie sehr die AfD mit solchen rechtsextremen Ideen verbunden ist. In der Villa nahmen einflussreiche Mitglieder der Partei teil. Natürlich versuchten sie nach der Veröffentlichung, das Thema kleinzureden oder totzuschweigen. Es gab die üblichen Ausrede-Versuche, dass man nur als Privatperson dort gewesen sei oder die Besprechung anders verstanden habe. Aber schon die Einladung zum Treffen zeigte, worum es geht und wer dort auftritt.
Die AfD ist längst mehr als nur ein Verdachtsfall. Die aktuelle Enthüllung bestätigt nur, dass es sich um eine rechtsextreme, fremdenfeindliche Partei handelt. Angesichts der Umfragewerte muss man ganz klar sagen: Wer diese Partei immer noch wählt, ist kein Protestwähler. Die AfD-Wähler unterstützen Politiker, die sich offen gegen demokratische Grundregeln wenden.
Aber nicht nur die AfD war in der Villa Adlon beteiligt. Zu den Teilnehmern gehörten auch CDU-Mitglieder, vor allem aus der sogenannten Werteunion. Das ist der Verein, der bei Migration, Klimaschutz und anderen Themen ähnliche Positionen vertritt wie die AfD. Angeführt wird er seit einem Jahr von Hans-Georg Maaßen, der lieber Ausländerfeindlichkeit als die Verfassung schützt.
Auch außerhalb der Werteunion breiten sich immer mehr problematische Gedanken in der CDU aus, wie man am Beispiel des Parteivorsitzenden Friedrich Merz erkennen kann. Das ist der Mann, der wirre Aussagen über Sozialtourismus, Migranten beim Zahnarzt usw. verbreitet und eine Zusammenarbeit mit der AfD auf kommunaler Ebene in Ordnung findet. So legt man brennende Streichhölzer an die Brandmauer. Mit dem kürzlich beschlossenen neuen Grundsatzprogramm versucht die CDU, die alte Idee einer Obergrenze bei der Migration durchzudrücken. Gedanken, die es so ähnlich seit langem auch bei der CSU gibt. Einige Politiker haben immer noch nicht aus der Geschichte gelernt.
Bauern: Wie Proteste zu Hass werden
Ein weiteres Thema, das zum Jahresanfang eine große Präsenz in den Medien hatte und für viel Aufregung sorgte, waren die Proteste der Bauern. Als Auslöser galten Pläne der Bundesregierung, Teile der Agrarsubventionen im Rahmen der Sparmaßnahmen zu streichen. Wahrzunehmen war aber vor allem pauschaler, allgemeiner Hass auf die Politik. Es klang so, als würden die geplanten Kürzungen die deutsche Landwirtschaft zerstören und Deutschland verhungern lassen. Wenn man aber auf die Zahlen blickt, stellt man nicht nur fest, dass die Agrarbranche zuletzt Rekordgewinne gemacht hat, sondern auch, dass der umstrittene Agrardiesel nur ein Fünftel der Agrarsubventionen aus dem Bundeshaushalt ausmacht. Zusätzlich bekommen die Landwirte noch ein Vielfaches an Subventionen der EU. Diese Subventionen sind nicht gerecht verteilt und schaden dem Klimaschutz.
Getrieben wird die Hetze gegen die Bundesregierung vor allem von der konservativen Seite und vom rechten Rand. Das ist heuchlerisch. Denn erstens waren es Landwirtschaftsminister von CDU/CSU wie Julia Klöckner, die Werbemaßnahmen mit den Lebensmittelkonzernen gemacht haben, statt wirksame Maßnahmen durchzusetzen, die den Bauern wirklich helfen würden. Zweitens kommt die Unterstützung für Bauern, die mit ihren Traktoren Städte lahmlegen (und dafür den ach so teuren Diesel verschwenden), vor allem aus den Kreisen, die vorher Klimaschützer auf den Straßen zu Verbrechern erklärt haben – Doppelmoral.
Die schlimmste Eskalation bei den Bauernprotesten im Januar gab es mit den Angriffen auf Minister Habeck. Dort war eine weitere historische Verbindung sichtbar, nämlich zur Landvolkbewegung. Diese entstand zwischen den Weltkriegen ebenfalls in Schleswig-Holstein. Finanzielle Probleme führten erst zu Kundgebungen, doch die Situation eskalierte immer mehr. Auf Boykotte folgten Bombenanschläge. Letztlich gingen die Mitglieder der Bewegung zur NSDAP über. Erneut erkennt man, wie wichtig diese Warnung ist: Wehret den Anfängen! Irgendwann werden aus bösen Worten böse Taten, wenn man nicht aufpasst.
Wagenknecht und Maaßen: Die Zersplitterung der Parteienlandschaft
Viel diskutiert wird gerade außerdem darüber, ob man die AfD als Partei verbieten könnte und sollte. Als zentrale Gegenargumente werden die lange Dauer eines Verfahrens und die Möglichkeit des Scheiterns genannt. Dabei gibt es mehr als genug Belege dafür, wie die Rechtsextremen sich äußern und was sie vorhaben. Die lange Dauer ist nur deshalb ein Problem, weil man das Verbotsverfahren immer noch nicht begonnen hat. Spätestens seit der sogenannten Flüchtlingskrise 2014/15 wurde zunehmend klar, was der Markenkern der AfD ist. Das ist jetzt knapp zehn Jahre her. Es wäre Zeit genug gewesen.
Nun ist die AfD weiterhin im Bundestag vertreten und auf kommunaler Ebene sogar schon in leitender Funktion. Spätestens wenn sich die Umfrageergebnisse der in diesem Jahr bevorstehenden Landtagswahlen in Wahlergebnissen widerspiegeln, wird es umso schwieriger, die Rechtsextremen aufzuhalten. Um noch eine Mehrheit zu bekommen, müssen sich mehr als zwei andere Parteien zu einer Koalition zusammenfinden. Erschwerend kommt hinzu, dass es immer mehr Parteien werden. Gerade geht das Bündnis Sahra Wagenknecht an den Start, das versucht, den linken und rechten Rand in eine Partei zu bringen. Auch der schon angesprochene Hans-Georg Maaßen soll über eine Parteigründung nachdenken und es ist angesichts der Vorgeschichte klar, in welche Richtung seine Politik gehen würde.
Wir erleben also gerade eine Zersplitterung der Parteienlandschaft und wozu das führen kann, zeigt erneut ein historischer Vergleich. In der Weimarer Republik gab es wegen zahlreicher Parteien und schnell wechselnder Regierungen zunehmendes politisches Chaos. Für eine große Koalition reichten damals nicht CDU/CSU und SPD. In dem Bündnis, das zu der Zeit große Koalition genannt wurde, waren vier Parteien vertreten, deren Interessen schwer zu verbinden sind. Am 30. Januar 1933, nur rund 14 Jahre nach ihrer Gründung, war die Weimarer Republik Geschichte.
Wir müssen und können die Demokratie verteidigen
Natürlich muss es bei all den Entwicklungen, die ich gerade zusammengefasst habe, nicht zwangsläufig so schlimm werden wie bei den historischen Ereignissen. Wir können die negativen Entwicklungen der Gegenwart noch aufhalten. Aber dazu müssen wir als Freunde der Demokratie endlich handeln. Nicht in fünf Jahren, nicht nach der nächsten Bundestagswahl, nicht Ende dieses Jahres, sondern jetzt!
Ein paar positive Ansätze sind zu erkennen. In diesen Tagen gehen viele Menschen auf die Straße, um gegen die AfD zu protestieren und sich für die Demokratie einzusetzen. Eine Online-Petition gegen den Faschisten Höcke hat immerhin schon fast 1,5 Millionen Unterschriften gesammelt. Bundestagspolitiker trauen sich, die Rechtsextremen und Faschisten als solche zu bezeichnen.
Der demokratisch orientierte Teil der bundesrepublikanischen Gesellschaft wehrt sich gegen eine Machtübernahme von rechtsaußen. Das ist gut und wichtig. Wir müssen und können unsere Demokratie verteidigen. Selbst wenn 30% der Wahlberechtigten sich wirklich für die AfD entscheiden wollen, gibt es noch 70% auf der anderen Seite, die eine vernünftige Entscheidung treffen können.
Ein letzter historischer Vergleich: Damals haben sich mutige Menschen sogar noch während des Nationalsozialismus für Frieden und Menschlichkeit engagiert. Mutige Widerstandskämpfer haben ihr Leben riskiert, um Hass, Gewalt und Massenmord zu stoppen. Wir können mit diesem historischen Wissen jetzt schon Widerstand leisten, bevor es wieder so schlimm wird. Mit klaren Worten, mit Demonstrationen und mit der richtigen Entscheidung auf dem Stimmzettel können wir gegen den Hass vorgehen.