Dass wir in Deutschland ein großes Problem mit Rassismus und anderen Formen der Diskriminierung haben, wissen wir nicht erst seit dem Erfolg der rechtsextremen AfD. Das mangelhafte deutsche Bildungssystem ist auch bekannt. Wie beides zusammenhängt, zeigt nun ein Video auf dem Youtube-Kanal Die Da Oben. Dort ist zu sehen, wie viele diskriminierende Inhalte die deutschen Schulbücher enthalten.
Wie sehen die problematischen Inhalte aus?
Um zu verstehen, warum viele deutsche Schulbücher problematische Inhalte haben, solltet ihr euch mal dieses Video ansehen. Es ist relativ lang, aber es lohnt sich.
Die Moderatorin Aline Abboud zeigt dort konkrete Beispiele für Rassismus und Diskriminierung. So wird in einem Schulbuch zum Beispiel das N-Wort ohne ausreichenden Kontext reproduziert. Auf Fotos zum Thema Islam sind muslimische Frauen in passiven Rollen irgendwo am Rand des Geschehens zu sehen, meistens in verhüllender Kleidung von hinten fotografiert. Bei Beiträgen über Juden werden diese nur als Opfer des Holocaust gezeigt und nicht in ihrer heutigen Lebenswelt, was laut Statement eines jüdischen Schülers dazu führt, dass die Opferrolle fortlebt. Eine Schülerin mit mexikanischem Migrationshintergrund erzählt, wie Mexiko vor allem mit Kriminalität assoziiert wird. Manchmal ist der problematische Inhalt auch weniger offensichtlich, wenn zum Beispiel Wörter wie „Ausrottung“ ohne passende Einordnung benutzt werden oder wenn ein Zeitstrahl über den Islam nur Konflikte bis hin zu Al-Kaida darstellt und kulturelle Errungenschaften auslässt.
Schulbücher und die Nachteile des Föderalismus
Das Youtube-Video zeigt nicht nur, wie die diskriminierenden Inhalte aussehen. Es geht auch um die Frage, wie sowas in der heutigen Zeit überhaupt noch passieren kann. Wie kommen die problematischen Darstellungen in die Schulbücher? Wie so oft beim deutschen Bildungssystem landen wir beim Föderalismus, genauer gesagt bei der Zuständigkeit der Bundesländer für die Bildung. Laut den Recherchen von Die Da Oben kümmern sich mehrere Bundesländer auf politischer Ebene gar nicht darum, welche Schulbücher für die Verwendung im Unterricht genehmigt werden. Sie geben nur die Lehrpläne vor, überlassen es aber dann den Schulen, welche Bücher sie benutzen. Hier wären klare und einheitliche Regelungen für ganz Deutschland nötig. Außerdem müssen die Prüfungen sorgfältiger werden. Klar, das kostet Geld und Zeit. Beides ist unzureichend vorhanden, solange die Politik die Bedeutung der Bildung weiter so vernachlässigt und kaputtspart.
Positive Geschichten: So kann man es besser machen
Bei der Frage, wie man die Probleme zukünftig verhindern kann, nennt Abboud vor allem zwei Punkte. Erstens müsse man sich des Problems überhaupt bewusst sein und wie mit dem Video darauf aufmerksam machen. Selbsterkenntnis ist schließlich der erste Schritt zur Besserung. Zweitens müssten die Prüfungen der Schulbücher besser funktionieren.
Vor allem den ersten Ansatz möchte ich noch erweitern. Eine gute Bildung ermöglicht einen möglichst umfassenden Blick auf das jeweilige Thema. Dazu gehört, dass wir nur in der historischen Betrachtung hängenbleiben, die oft mit den negativen Aspekten und ewiggestrigem Denken verbunden ist. Wir sollten uns auch mit der Gegenwart beschäftigen und dann verstehen, wie beides zusammenhängt. Ein wichtiger Aspekt ist dabei, der Diskriminierung positive Geschichten gegenüberzustellen, um zu zeigen, wie man es besser machen kann.
Mal ein paar Ideen zu den eingangs angesprochenen Themen:
- Gerade haben die Juden wieder Chanukka gefeiert, wie es bereits Anne Frank im Hinterhaus getan hat. Man könnte Annes Darstellung aus dem Tagebuch mit Erfahrungsberichten heutiger Juden vergleichen. Wie viele Juden kennen die Schülerinnen und Schüler überhaupt? Das Spektrum prominenter Juden reicht vom Dichter Heinrich Heine über den Physiker Albert Einstein bis zum Facebook-Erfinder Mark Zuckerberg.
- Bei Muslimen kann man ebenfalls historische Entwicklungen und das aktuelle Leben dieser Menschen gegenüberstellen. Das öffentlich-rechtliche Netzwerk Funk, zu dem auch Die Da Oben gehört, bietet dazu beispielsweise einige Videos, die auf ein junges Publikum ausgerichtet sind. Oder wie wäre es mit Geschichten über muslimische Sportlerinnen bei Olympia?
- Statt sich über Gendersternchen aufzuregen, könnte man sich mit der Rolle von Frauen in der Gesellschaft beschäftigen. Auch über Menschen mit verschiedener sexueller Orientierung oder mit Behinderungen sollte man möglichst lebensnah aufklären.
- Außerdem könnte man die Sensibilisierung für Diskriminierung mit verschiedenen Aspekten selbst zum Thema machen. Wie entstehen Vorurteile? Woran erkenne ich diskriminierende Sprache? Warum sind Bilder und Grafiken wie die eingangs erwähnten Beispiele negativ? Wie kann ich Diskriminierung verhindern?
Man kann nicht früh genug damit anfangen, den jungen Menschen ein möglichst vielfältiges und offenes Weltbild zu präsentieren. Diskriminierung ist nicht angeboren, sondern entsteht durch die Gesellschaft, in der Kinder aufwachsen.