Die Bundestagswahl 2025 ist seit ein paar Tagen Geschichte. Das Ergebnis steht fest. Erste Reaktionen und Analysen sind erfolgt und ein paar Beteiligte haben personelle Konsequenzen gezogen. Nun wird über die Bildung der neuen Regierung verhandelt. Aber was können wir aus dem Wahlkampf, dem Wahlergebnis und den Folgen lernen?

Der Rechtsruck geht mit der Bundestagswahl weiter
Beginnen wir mal mit der schlimmsten Erkenntnis. 20,8% der Zweitstimmen gingen bei dieser Bundestagswahl an die AfD, die nicht nur in Ostdeutschland hohe Ergebnisse erreichte. 10.327.148 Menschen haben die rechtsextreme Partei gewählt und damit den Rechtsruck gestärkt. Sie haben das getan, obwohl sehr offensichtlich ist, dass die AfD gegen Ausländer, gegen Demokratie, gegen Vielfalt ist. Die Ausrichtung der Partei ist seit der sogenannten Flüchtlingskrise 2015 bekannt und in den vergangenen Jahren immer deutlicher geworden. Da kann niemand ernsthaft sagen, dass er oder sie nur Protestwähler sei oder nichts davon gewusst habe.
Deutschland ist nicht das einzige Land, in dem solch ein Rechtsruck zu beobachten ist. Trump ist wieder im Amt und auch in einigen europäischen Staaten regieren ähnliche Politiker und Parteien. Aber in Deutschland ist so eine Entwicklung besonders bedenklich. Viele Wähler haben aus der Geschichte nichts gelernt.
Merz hat die Union geschwächt und die Ränder gestärkt
Gestärkt wurde der Rechtsruck außerdem durch den Voraussichtlich-bald-Bundeskanzler Friedrich Merz. Das zeigt sich zunächst mal an den Zahlen der Bundestagswahl. CDU/CSU jubeln zwar über ihren Wahlsieg und machen sich über den Absturz der SPD und FDP lustig. Fakt ist jedoch: Die Union hat mit Merz ihr zweitschlechtestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl eingefahren. Die aktuellen 28,6% hatte sie bisher nur bei der Wahl 2021 unterboten, als sie mit Laschet auf 24,2% gekommen war. Von der schwächelnden Union hat nicht nur die AfD profitiert, sondern am anderen Ende des politischen Spektrums auch die Linke, die aus der Bedeutungslosigkeit kurzfristig noch auf 8,8% gekommen ist.
Trump-Methoden jetzt auch in Deutschland?
Eins ist in den letzten Tagen und Wochen besonders deutlich geworden: Merz ist kein Politiker, der ruhig spricht, Entscheidungen abwägt, alle wichtigen Themen im Blick hat und möglichst alle Menschen in Deutschland mitnimmt. Einige Aktionen erinnern eher an Trump & Co.
- Tendenz nach rechtsaußen: Spätestens mit der umstrittenen Bundestagsabstimmung im Januar hat Merz verdeutlicht, dass er kein Problem hat, mit der AfD zusammenzuarbeiten. Auch wenn er das bis heute leugnet. Die angebliche Brandmauer hat zumindest große Löcher bekommen. 2018 hatte Merz noch behauptet, die AfD zu halbieren und die CDU Richtung 40% zu bringen. Mit seiner Kanzlerkandidatur hat er das Gegenteil erreicht. Falls die Koalitionsverhandlungen mit der SPD scheitern, gibt es den nächsten Stresstest für die Brandmauer.
- Migration, Migration, Migration: Abgesehen von ein bisschen Wirtschaft hat Merz den Wahlkampf auf ein Thema reduziert. Möglichst wenige Ausländer sollen nach Deutschland kommen. Das Menschenbild der aktuellen CDU zeigt sich auch in der Sprache, wie die Kritik am Zustrombegrenzungsgesetz verdeutlicht (mehr zu Propaganda hier).
- Angriffe auf politische Gegner und Meinungsfreiheit: Zwei Aktionen rund um den Wahlsonntag verraten, was Merz von seinen politischen Kontrahenten und Kritikern hält: gar nichts. Am Vorabend der Wahl beleidigte er andere Parteien als „grüne und linke Spinner“. In derselben Wutrede missbrauchte er einen Mordfall, um mit alternativen Fakten zu hetzen. In dieser Woche wurde außerdem bekannt, dass die CDU mit einer gar nicht so kleinen Anfrage, 551 Fragen umfassend, NGOs die Förderung entziehen und sie so mundtot machen will. Grund: Die NGOs haben ihre grundgesetzlich geschützte Meinungsfreiheit genutzt, um die CDU und den Rechtsruck zu kritisieren.
- Rückgängig: Merz und seine Union leben in der Vergangenheit. Um das zu erkennen, brauchen wir kein Foto ohne Frauen. Es zeigt sich auch daran, dass CDU/CSU einiges rückgängig machen wollen, was nach moderner Politik aussieht. Atomausstieg, Cannabis …
- Unberechenbar: Wie unberechenbar Merz ist, zeigt das Hin und Her zum Thema Schuldenbremse kurz nach der Wahl. Im Wahlkampf hat er nötige Reformen verweigert, nach der Wahl aber gemerkt, dass er keine Zweidrittel-Mehrheit mehr hat. Dann hat er über Abstimmungen mit dem alten Bundestag geredet, nur um das am nächsten Tag zurückzunehmen.
Zerstörung der Koalition wird bestraft
Eine der angenehmeren Erkenntnisse dieser Bundestagswahl: Die FDP ist an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert. Es ist die verdiente Strafe dafür, dass sie mit ihrer ständigen Blockadehaltung sowie ihren Aktionen mit D-Day und Feldschlacht die Ampelkoalition zerstört hat. Lindner ist zurückgetreten. Aber ich denke, wir werden ihn demnächst wieder im Reichstagsgebäude sehen: nämlich als Lobbyist irgendeines reichen Unternehmens.
Was bei der Bundestagswahl fehlte: Wir brauchen Klimaschutz, Bildung und vieles mehr
Wie schon angedeutet, waren der Wahlkampf und die damit verbundenen Formate zur Bundestagswahl in den Medien fast komplett auf zwei Themen reduziert: ganz viel Migration und ein bisschen Wirtschaft. Viele wichtige Themen wurden hingegen ignoriert. Dabei sind es Themen, die dazu beitragen könnten, die gerade beschriebenen Probleme zu lösen. Ein paar Beispiele:
- In meinen vorherigen Blogbeitrag habe ich schon erklärt, wie sich der Klimaschutz auf zahlreiche Themen wie Migration und Wirtschaft auswirkt.
- Wir müssen außerdem die Bildung stärken. Da scheint der Geschichtsunterricht z.B. wichtig zu sein. Wer die deutsche Vergangenheit kennt und versteht, wählt keine Rechtsextremen. Auch mehr Medienkompetenz wäre nötig, um richtig mit Social Media umzugehen und Fake News oder Propaganda zu durchschauen.
- Ebenfalls verbesserungswürdig ist die Gerechtigkeit. Das gilt auf mehreren Ebenen. Zum einen natürlich finanziell. Die Merz-CDU und übrigens auch die AfD entlasten vor allem die ohnehin schon Reichen. Zum anderen zwischen den Generationen. Es gibt in Deutschland neben Rentnern auch junge Menschen. Nicht nur die Corona-Pandemie hat gezeigt, wie die jungen Menschen vernachlässigt werden. Wenn mehr Menschen mit ihren Lebensbedingungen zufrieden wären, gäbe es weniger Anfälligkeit für Hass und Extremismus.
Ruhig und vernünftig: Mehr Habeck wagen
Robert Habeck hat es nicht geschafft, den Grünen ein besseres Wahlergebnis zu bescheren. Aber immerhin waren die Grünen die Ampel-Parteien mit den geringsten Verlusten. Dazu hat der Kanzlerkandidat beigetragen. Im Gegensatz zum impulsiven Merz, der aggressiven Weidel und dem blassen Scholz hat er gezeigt, wie man ruhig und vernünftig reden kann. Mehr von dieser Stimmung, in der man nachdenkt statt zu hetzen und erklärt statt zu schreien, hätte dem Wahlkampf gutgetan und wäre auch insgesamt in der Politik wertvoll.
Das sehen Hunderttausende Menschen genauso. Sie haben Habeck aufgefordert, weiterhin eine wichtige Rolle bei den Grünen zu übernehmen, und dazu eine Petition unterzeichnet.

Aus hoher Wahlbeteiligung sollte gemeinsames Engagement folgen
Eine der erfreulichsten Zahlen dieser Bundestagswahl war die Wahlbeteiligung. 82,5% der Wahlberechtigten haben ihre Stimme genutzt. Ein Blick in die Statistik zeigt, dass der Wert so hoch war wie noch nie nach der Wiedervereinigung.
Die meisten Menschen interessieren sich also offensichtlich doch noch für Politik. Wir müssen dieses Interesse nur richtig nutzen. Nicht für spaltende, ewiggestrige Politik im Stil von Merz und AfD, sondern für eine Politik, die die Gemeinschaft stärkt. Es muss wieder beliebter werden, sich gesellschaftlich zu engagieren, egal ob in einer Partei oder im Sportverein. Alle Menschen müssen berücksichtigt werden, ohne die Menschlichkeit zu vergessen. Wir sind gut 83 Millionen Menschen in Deutschland. Wenn wir gemeinsam in die Zukunft statt in die Vergangenheit blicken und uns gemeinsam darum kümmern, gute Lösungen für die Probleme zu finden und diese umzusetzen, können wir einiges erreichen.