Am 20. November 2022 beginnt die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar. Diese Aussage beschreibt eine Tatsache, aber sie ist bekanntlich auf vielfältige Weise so bizarr. Eine Fußball-WM im Winter in einem korrupten, menschenfeindlichen, überhitzten Land. Die Probleme dieses Konstrukts sind längst bekannt und seit Jahren besprochen. So kurz vor dem ersten Spiel geht es u.a. darum, ob man die Übertragungen der Spiele verfolgen oder boykottieren sollte. Dabei gibt es eine viel bessere Alternative zum reinen Boykott: Man kann die Gelegenheit nutzen, um sich mal mit anderen, viel attraktiveren Sportarten zu beschäftigen.
Mein Weg weg vom Fußball
Es gab mal längst vergangene Zeiten, in denen ich mich relativ ausführlich mit dem Balltreter-Sport beschäftigt habe. Damals hab ich zweimal wöchentlich das Fußballmagazin kicker gelesen, viele Spiele gesehen und war auch in unterschiedlichen Stadien vor Ort. Warum habe ich das damals gemacht? Weil ich damals noch nicht das getan hatte, wofür ich mit diesem Blogbeitrag hier werben möchte, nämlich mich mit anderen Sportarten zu beschäftigen.
Geändert hat sich das, als ich mal eine Eintrittskarte für ein Spiel der Volleyball-Bundesliga bekommen habe. Für ein Heimspiel des Bundesligisten meiner Stadt, wenige Kilometer von meiner Haustür entfernt. Ich bin hingegangen und war schnell begeistert von diesem schnellen, komplexen Sport, bei dem alle Spieler ständig in Bewegung sind und hohe technische und taktische Anforderungen erfüllen. Begeistert war ich auch von der intensiven und dennoch friedlichen Stimmung in der Halle.
Wenig später ist der Verein dann von der kleinen Schulsporthalle in eine neu eröffnete, größere Arena gezogen und seitdem bin ich dabei geblieben. Ich bin schnell Mitglied des Fanclubs geworden, habe Auswärtsfahrten mitgemacht, viele begeisterte Menschen kennengelernt und bin allmählich auch im Verein ehrenamtlich tätig geworden. Parallel dazu ist mein Interesse am Fußball schnell gesunken – bis auf null.
Volleyball nur eine von vielen Sportarten
Mein persönlicher Erfahrungsbericht weg vom Fußball, hin zum Volleyball ist dabei nur ein Beispiel. Ich möchte damit zeigen, wie man andere Sportarten abseits der Balltreter kennenlernen und sich dafür begeistern kann. Die Auswahl an Alternativen ist dabei ebenso groß wie vielfältig.
Das zeigt ein Blick auf die Daten des Olympischen Sportbunds (DOSB). Dieser umfasst neben den Landessportbünden und weiteren Gruppen auch 66 Spitzenverbände, von denen 40 Verbände olympische Sportarten vertreten. Die olympischen Verbände reichen von Badminton bis Wellenreiten, die nicht-olympischen von American Football bis Wasserski. Da ist für jeden was dabei, egal ob man lieber läuft, springt, mit Bällen spielt oder sich im Wasser bewegt.
Ein genauerer Blick in die Bestandserhebung 2022 des DOSB zeigt, dass für die Spitzenverbände mit olympischen Sportarten in diesem Jahr 22.490.705 Millionen Mitglieder angegeben sind. Für die nicht-olympischen Verbände kommen noch mal fast zwei Millionen Mitglieder dazu. Das sind zusammen rund 29% der 84.079.811 Menschen, die laut Daten von Ende Juni 2022 in Deutschland leben. Fast ein Drittel also.
7.171.232 Mitglieder sind in den DOSB-Statistiken ausgewiesen. Grob gerechnet sind also 2/3 der in den deutschen Sportverbänden registrierten Mitglieder in Sportarten außerhalb des Fußballs aktiv. Diese kleine Analyse der Zahlen zeigt schon, dass nicht die reine Fußball-Nation ist und andere Sportarten noch sehr viel Potenzial haben.
Die falschen Schwerpunkte in den Medien und mangelnde Selbstdarstellung
Deutschland einig Fußballland? Beim Blick in die meisten Medien, vor allem die klassischen wie Zeitung und Fernsehen, kann man auch 2022 noch diesen Eindruck gewinnen. In der Lokalzeitung wird die Fußball-Kreisliga größer dargestellt als beispielsweise die Berichte über den örtlichen Volleyball-Bundesligisten, der sogar in der Champions League spielt. Viele andere Sportarten kommen nur in der Kurz-notiert-Spalte oder gar nicht vor.
Der Ausweg aus dieser schwierigen Lage ist vor allem dann möglich, wenn moderne Medien auf engagierte, sportbegeisterte Menschen treffen. Die Volleyball-Bundesliga hat zumindest bei den Männern diesen Schritt geschafft. Stichwort Spontent, mehr dazu in meinem früheren Blogbeitrag. Livesport im Livestream, auf einer interaktiven Plattform, begleitet von einem wöchentlichen Magazin und verschiedenen, auch unterhaltsamen Youtube-Formaten. So oder ähnlich funktioniert moderne Sportberichterstattung. Einen weiteren Schritt in Richtung von mehr Aufmerksamkeit für sogenannte Randsportarten geht im nächsten Jahr die neue Plattform Dyn, auch bekannt unter ihrem Arbeitstitel S Nation. Gegründet wurde der zukünftige Streaming-Dienst ausgerechnet von Christian Seifert, dem ehemaligen Geschäftsführer der Deutschen Fußball-Liga. Fußball ist eben nicht alles.
Bei aller Begeisterung für diese fortschrittlichen Projekte ist jedoch entscheidend, dass die Vereine und Sportler diesen Weg auch selbst mitgehen. Wer nur auf Zeitungsberichte und lineares Fernsehen setzt, hat die Zeichen der Zeit nicht erkannt und den Anschluss verloren. Die modernste Plattform nutzt nichts, wenn die Sportler ihre Begeisterung nicht zeigen oder sich sogar gegen moderne Medien wehren. Auch die Fans können helfen, indem sie zahlreich in die Hallen oder zu den anderen Wettkampfstätten gehen und die Sportler lautstark anfeuern. Sport lebt nicht nur von Technik und Taktik, sondern auch von Leidenschaft.
Weitere Vorteile anderer Sportarten
Habe ich euch überzeugt, dass es mehr als nur Fußball gibt? Wenn ihr weitere Argumente braucht, hier noch kurz zusammengefasst ein paar weitere Vorteile anderer Sportarten.
- Andere Sportarten sind nicht so sehr vom Geld verseucht. Kurzer Vergleich: Allein für die Katar-Fußball-WM gibt es ein Budget in Milliardenhöhe (Korruptionsgelder nicht eingerechnet), davon allein 440 Millionen US-Dollar für Preisgelder, und die deutschen Sender zahlen für die Übertragungsrechte Hunderte Millionen Euro. In der Volleyball-Bundesliga ist man mit einem Saisonetat von zwei Millionen Euro ein Spitzenverein. Natürlich geht es letztlich im Profisport immer (auch) um Geld, aber außerhalb des Fußballs ist es kein so zerstörerischer Gigantismus und Wahnsinn.
- Man ist näher dran an den Athleten. Bei den Fußball-Millionären ist es relativ schwierig, den Sportlern nahezukommen und mit ihnen zu reden. In anderen Sportarten geschieht der persönliche Kontakt zwischen den Aktiven und den Fans viel leichter. Außerdem haben die anderen Sportarten großes Interesse an Menschen, die ihnen bei der Organisation helfen, sodass man einfach eine ehrenamtliche oder sogar berufliche Tätigkeit beginnen und so noch näher ans Geschehen kommen kann.
- Es passiert viel mehr. Beim Fußball sieht man 90 Minuten oder noch länger zu und oft fallen nur ein oder zwei Tore, wenn überhaupt jemand die Kiste trifft. Beim Volleyball und den weiteren alternativen Sportarten werden hingegen ständig Punkte, Tore, Körbe oder was auch immer erzielt. Oder es gibt wie beim Laufen, Schwimmen und Werfen schnelle Bewegungen und knappe Entscheidungen, wo es auf jede Sekunde und jeden Zentimeter ankommt.
Wenn ihr also keine Lust auf die Katar-WM hat, probiert es einfach mal aus. Informiert euch über einen anderen Sport! Seht euch mal einen Livestream vom Volleyball oder sonstwas an! Seht nach, wo es in eurer Nähe Spiele und Wettkämpfe gibt, und geht hin! Für mehr Vielfalt im Sport!